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Fersen wie Feuer glühte … plötzlich fiel mir etwas ein, schon rief ich einen
Wagen und fuhr zum Vizeresidenten, zu demselben, dem ich damals in
meiner Station geholfen, und ließ mich melden … Irgend etwas muß schon in
meinem äußern Wesen befremdend gewesen sein, denn er sah mich mit einem
gleichsam erschreckten Blick an, und seine Höflichkeit hatte etwas
Beunruhigtes … vielleicht erkannte er schon den Amokläufer in mir … Ich
sagte ihm kurz entschlossen, ich erbäte meine Versetzung in die Stadt, ich
könne auf meinem Posten nicht mehr länger existieren … ich müsse sofort
übersiedeln … Er sah mich … ich kann Ihnen nicht sagen, wie er mich
ansah … so wie eben ein Arzt einen Kranken ansieht … »Ein
Nervenzusammenbruch, lieber Doktor«, sagte er dann, »ich verstehe das nur
zu gut. Nun, es wird sich schon richten lassen; aber warten Sie … sagen wir
vier Wochen … ich muß erst einen Ersatz finden.« »Ich kann nicht warten,
nicht einen Tag«, antwortete ich. Wieder kam dieser merkwürdige Blick. »Es
muß gehen, Doktor,« sagte er ernst, »wir dürfen die Station nicht ohne Arzt
lassen. Aber ich verspreche Ihnen, daß ich noch heute alles einleite.« Ich blieb
stehen, mit verbissenen Zähnen: zum erstenmal spürte ich deutlich, daß ich
ein verkaufter Mensch, ein Sklave sei. Schon ballte sich alles zu einem Trotz
zusammen, aber er, der Geschmeidige, kam mir zuvor: »Sie sind
menschenentwöhnt, Doktor, und das wird schließlich eine Krankheit. Wir
haben uns alle gewundert, daß Sie nie herkamen, nie Urlaub nahmen. Sie
brauchen mehr Geselligkeit, mehr Anregung. Kommen Sie doch wenigstens
diesen Abend, wir haben heute Empfang bei der Regierung, Sie finden die
ganze Kolonie, und manche mochten Sie längst kennen lernen, haben oft nach
Ihnen gefragt und Sie hierhergewünscht.«
Das letzte Wort riß mich auf. Nach mir gefragt? Sollte sie es gewesen sein?
Ich war plötzlich ein anderer: sofort dankte ich ihm höflichst für seine
Einladung und sicherte mein Kommen pünktlich zu. Und ich war auch
pünktlich, viel zu pünktlich. Muß ich Ihnen erst sagen, daß ich, von meiner
Ungeduld gejagt, der erste in dem großen Saale des Regierungsgebäudes war,
schweigend umgeben von den gelben Dienern, die mit ihren nackten Sohlen
wippend hin und her eilten und mich – wie mir in meinem verwirrten
Bewußtsein dünkte – hinterrücks belächelten. Eine Viertelstunde war ich der
einzige Europäer inmitten all der geräuschlosen Vorbereitungen und so allein
mit mir, daß ich das Ticken der Uhr in meiner Westentasche hörte. Dann
kamen endlich ein paar Regierungsbeamte mit ihren Familien, schließlich
auch der Gouverneur, der mich in ein längeres Gespräch zog, in dem ich
beflissen und, wie ich glaube, geschickt antwortete, bis … bis ich plötzlich,
von einer geheimnisvollen Nervosität befallen, alle Geschmeidigkeit verlor
und zu stammeln begann. Obzwar mit dem Rücken gegen die Saaltür gelehnt,
spürte ich mit einem Male, daß sie eingetreten, daß sie anwesend sein mußte:
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Amok
Novellen einer Leidenschaft
- Titel
- Amok
- Untertitel
- Novellen einer Leidenschaft
- Autor
- Stefan Zweig
- Datum
- 1922
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 158
- Kategorien
- Weiteres Belletristik