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Amok - Novellen einer Leidenschaft
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und höhnisch eine letzte Helle, unten müde und lastend eine schwüle Dunkelheit, feindlich war eines dem andern, unheimlich stummer Kampf zwischen Himmel und Erde. Ich atmete tief und trank nur Erregung. Ich griff ins Gras. Es war trocken wie Holz und knisterte blau in meinen Fingern. Wieder rief der Gong. Widerlich war mir der tote Klang. Ich hatte keinen Hunger, kein Verlangen nach Menschen, aber diese einsame Schwüle hier draußen war zu fürchterlich. Der ganze schwere Himmel lastete stumm auf meiner Brust, und ich fühlte, ich könnte seinen bleiernen Druck nicht länger mehr tragen. Ich ging hinein in den Speisesaal. Die Leute saßen schon an ihren kleinen Tischen. Sie sprachen leise, aber doch, mir war es zu laut. Denn mir ward alles zur Qual, was an meine ausgereizten Nerven rührte: das leise Lispeln der Lippen, das Klirren der Bestecke, das Rasseln der Teller, jede einzelne Geste, jeder Atem, jeder Blick. Alles zuckte in mich hinein und tat mir weh. Ich mußte mich bemeistern, um nicht etwas Sinnloses zu tun, denn ich fühlte es an meinem Pulse: alle meine Sinne hatten Fieber. Jeden einzelnen dieser Menschen mußte ich ansehen, und gegen jeden fühlte ich Haß, als ich sie so friedlich dasitzen sah, gefräßig und gemächlich, indessen ich glühte. Irgendein Neid überkam mich, daß sie so satt und sicher in sich ruhten, anteillos an der Qual einer Welt, fühllos für die stille Raserei, die in der Brust der verdurstenden Erde sich regte. Alle griff ich an mit dem Blick, ob nicht einer wäre, der sie mitfühlte, aber alle schienen stumpf und unbesorgt. Nur Ruhende und Atmende, Gemächliche waren hier, Wache, Fühllose, Gesunde, und ich der einzige Kranke, der Einzige im Fieber der Welt. Der Kellner brachte mir das Essen. Ich versuchte einen Bissen, vermochte aber nicht, ihn hinabzuwürgen. Alles widerstrebte mir, was Berührung war. Zu voll war ich von der Schwüle, dem Dunst, dem Brodem der leidenden, kranken, zerquälten Natur. Neben mir rückte ein Sessel. Ich fuhr auf. Jeder Laut streifte jetzt an mich wie heißes Eisen. Ich sah hin. Fremde Menschen saßen dort, neue Nachbarn, die ich noch nicht kannte. Ein älterer Herr und seine Frau, bürgerliche ruhige Leute mit runden gelassenen Augen und kauenden Wangen. Aber ihnen gegenüber, halb mit dem Rücken zu mir, ein junges Mädchen, ihre Tochter offenbar. Nur den Nacken sah ich, weiß und schmal und darüber wie einen Stahlhelm schwarz und fast blau das volle Haar. Sie saß reglos da, und an ihrer Starre erkannte ich sie als dieselbe, die früher auf der Terrasse lechzend und aufgetan vor dem Regen gestanden wie eine weiße, durstende Blume. Ihre kleinen, kränklich schmalen Finger spielten unruhig mit dem Besteck, aber doch, ohne daß es klirrte; und diese Stille um sie tat mir wohl. Auch sie rührte keinen Bissen an, nur einmal griff ihre Hand hastig und gierig nach dem Glas. Oh, sie fühlt es auch, das Fieber der Welt, spürte ich beglückt an diesem durstigen Griff, und eine freundliche Teilnahme legte meinen Blick 54
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Amok Novellen einer Leidenschaft
Titel
Amok
Untertitel
Novellen einer Leidenschaft
Autor
Stefan Zweig
Datum
1922
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
158
Kategorien
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