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Blitzen los, und ich hätte schreien mögen vor Lust. Alles vergaß ich in dem
ekstatischen Gefühl, wieder atmen zu können und frisch zu sein, und ich sog
diese Kühle in mich wie die Erde, wie das Land: ich fühlte den seligen
Schauer des Durchrütteltseins wie die Bäume, die sich zischend schwangen
unter der nassen Rute des Regens. Dämonisch schön war der wollüstige
Kampf des Himmels mit der Erde, eine gigantische Brautnacht, deren Lust ich
mitfühlend genoß. Mit Blitzen griff der Himmel herab, mit Donner stürzte er
auf die Erbebende nieder, und es war in diesem stöhnenden Dunkel ein
rasendes Ineinandersinken von Höhe und Tiefe, wie von Geschlecht zu
Geschlecht. Die Bäume stöhnten vor Wollust, und mit immer glühenderen
Blitzen flocht sich die Ferne zusammen, man sah die heißen Adern des
Himmels offen stehen, sie sprühten sich aus und mengten sich mit den nassen
Rinnsalen der Wege. Alles brach auseinander und stürzte zusammen, Nacht
und Welt – ein wunderbarer neuer Atem, in den sich der Duft der Felder
vermengte mit dem feurigen Odem des Himmels, drang kühl in mich ein.
Drei Wochen zurückgehaltener Glut rasten sich in diesem Kampf aus, und
auch in mir fühlte ich die Entspannung. Es war mir, als rauschte der Regen in
meine Poren hinein, als durchsause reinigend der Wind meine Brust, und ich
fühlte mich und mein Erleben nicht mehr einzeln und beseelt, ich war nur
Welt, Orkan, Schauer, Wesen und Nacht im Überschwang der Natur. Und
dann, als alles mählich stiller war, die Blitze bloß blau und ungefährlich den
Horizont umschweiften, der Donner nur mehr väterlich mahnend grollte und
das Rauschen des Regens rhythmisch ward im ermattenden Wind, da kam
auch mich ein Leiserwerden und Müdigkeit an. Wie Musik fühlte ich meine
schwingenden Nerven erklingen, und sanfte Gelöstheit sank in meine Glieder.
Oh, schlafen jetzt mit der Natur und dann aufwachen mit ihr! Ich warf die
Kleider ab und mich ins Bett. Noch waren weiche, fremde Formen darin. Ich
spürte sie dumpf, das seltsame Abenteuer wollte sich noch einmal besinnen,
aber ich verstand es nicht mehr. Der Regen draußen rauschte und rauschte und
wusch mir meine Gedanken weg. Ich fühlte alles nur mehr als Traum. Immer
wollte ich noch etwas zurückdenken von dem, was mir geschehen war, aber
der Regen rauschte und rauschte, eine wunderbare Wiege war die sanfte,
klingende Nacht, und ich sank in sie hinein, einschlummernd in ihrem
Schlummer.
Am nächsten Morgen, als ich ans Fenster trat, sah ich eine verwandelte
Welt. Klar, mit festen Umrissen, heiter lag das Land in sicherem, sonnigem
Glanz, und hoch über ihm, ein leuchtender Spiegel dieser Stille, wölbte der
Horizont sich blau und fern. Klar waren die Grenzen gezogen, unendlich fern
stand der Himmel, der gestern sich tief hinab in die Felder gewühlt und sie
fruchtbar gemacht. Jetzt aber war er fern, weltenweit und ohne
Zusammenhang, nirgends rührte er sie mehr an, die duftende, atmende,
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Buch Amok - Novellen einer Leidenschaft"
Amok
Novellen einer Leidenschaft
- Titel
- Amok
- Untertitel
- Novellen einer Leidenschaft
- Autor
- Stefan Zweig
- Datum
- 1922
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 158
- Kategorien
- Weiteres Belletristik