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Vollendung, zu einem Lebenszweck heranbildet, ließ mich die Absicht einer
wirklichen Betätigung ganz vergessen. Ich hatte alle Befriedigung eines
eleganten, adeligen, vermögenden, hübschen und dazu noch ehrgeizlosen
jungen Mannes, die ungefährlichen Spannungen des Spiels, der Jagd, die
regelmäßigen Auffrischungen der Reisen und Ausflüge, und bald begann ich
diese beschauliche Existenz immer mehr mit wissender Sorgfalt und
künstlerischer Neigung auszubauen. Ich sammelte seltene Gläser, weniger aus
einer inneren Leidenschaft als aus der Freude, innerhalb einer
anstrengungslosen Betätigung Geschlossenheit und Kenntnis zu erreichen, ich
schmückte meine Wohnung mit einer besonderen Art italienischer
Barockstiche und mit Landschaftsbildern in der Art des Canaletto, die bei
Trödlern zusammenzufinden oder bei Auktionen zu erstehen voll einer
jagdmäßigen und doch nicht gefährlichen Spannung war, ich trieb mancherlei
mit Neigung und immer mit Geschmack, fehlte selten bei guter Musik und in
den Ateliers unserer Maler. Bei Frauen mangelte es mir nicht an Erfolg, auch
hier hatte ich mit dem geheimen sammlerischen Trieb, der irgendwie auf
innere Unbeschäftigtkeit deutet, mir vielerlei erinnerungswerte und kostbare
Stunden des Erlebens aufgehäuft, und hier allmählich vom bloßen Genießer
mich zum wissenden Kenner steigernd. Im ganzen hatte ich viel erlebt, was
mir angenehm den Tag füllte und meine Existenz mich als eine reiche
empfinden ließ, und immer mehr begann ich diese laue, wohlige Atmosphäre
einer gleichzeitig belebten und doch nie erschütterten Jugend zu lieben, fast
ohne neue Wünsche schon, denn ganz geringe Dinge vermochten sich schon
in der windstillen Luft meiner Tage zu einer Freude zu entfalten. Eine
gutgewählte Krawatte konnte mich fast schon froh machen, ein schönes Buch,
ein Automobilausflug oder eine Stunde mit einer Frau mich restlos beglücken.
Ganz besonders wohl tat mir in dieser meiner Daseinsform, daß sie in keiner
Weise, ganz wie ein tadellos korrekter englischer Anzug, in keiner Weise der
Gesellschaft auffiel. Ich glaube, man empfand mich als eine angenehme
Erscheinung, ich war beliebt und gerne gesehen, und die meisten, die mich
kannten, nannten mich einen glücklichen Menschen.
Ich weiß jetzt nicht mehr zu sagen, ob jener Mensch von damals, den ich
mir zu vergegenwärtigen bemühe, sich selbst so wie jene anderen als einen
Glücklichen empfand; denn nun, wo ich aus jenem Erlebnis für jedes Gefühl
einen viel volleren und erfüllteren Sinn fordere, scheint mir jede
rückerinnernde Wertung fast unmöglich. Doch vermag ich mit Gewißheit zu
sagen, daß ich mich zu jener Zeit keineswegs als unglücklich empfand,
blieben doch fast nie meine Wünsche unerfüllt und meine Anforderungen an
das Leben unerwidert. Aber gerade dies, daß ich mich daran gewöhnt hatte,
alles Geforderte vom Schicksal zu empfangen und darüber hinaus nichts mehr
ihm abzufordern, gerade dies zeitigte allmählich einen gewissen Mangel an
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Buch Amok - Novellen einer Leidenschaft"
Amok
Novellen einer Leidenschaft
- Titel
- Amok
- Untertitel
- Novellen einer Leidenschaft
- Autor
- Stefan Zweig
- Datum
- 1922
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 158
- Kategorien
- Weiteres Belletristik