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Amok - Novellen einer Leidenschaft
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gesetzt. Das konnte wohl schon ein stattlicher Betrag sein. Ohne weiter nachzudenken, nur dem Kitzel der Neugierde folgend, ließ ich mich von der eilenden Menge in die Richtung zu den Kassen hindrängen. Ich wurde in irgendeinen Queue hineingepreßt, legte das Tickett vor, und schon streiften zwei knochige, eilfertige Hände, zu denen ich das Gesicht hinter dem Schalter gar nicht sah, mir neun Zwanzigkronenscheine auf die Marmorplatte. In dieser Sekunde, wo mir das Geld, wirkliches Geld, blaue Scheine hingelegt wurden, stockte mir das Lachen in der Kehle. Ich hatte sofort ein unangenehmes Gefühl. Unwillkürlich zog ich die Hände zurück, um das fremde Geld nicht zu berühren. Am liebsten hätte ich die blauen Scheine auf der Platte liegen lassen; aber hinter mir drängten schon die Leute, ungeduldig, ihren Gewinn ausbezahlt zu bekommen. So blieb mir nichts übrig, als, peinlich berührt, mit angewiderten Fingerspitzen die Scheine zu nehmen: wie blaue Flammen brannten sie mir in der Hand, die ich unbewußt von mir wegspreizte, als gehörte auch die Hand, die sie genommen, nicht zu mir selbst. Sofort übersah ich das Fatale der Situation. Wider meinen Willen war aus dem Scherz etwas geworden, was einem anständigen Menschen, einem Gentleman, einem Reserveoffizier nicht hätte unterlaufen dürfen, und ich zögerte vor mir selbst, den wahren Namen dafür auszusprechen. Denn dies war nicht verheimlichtes, sondern listig weggelocktes, war gestohlenes Geld. Um mich surrten und schwirrten die Stimmen, Leute drängten und stießen von und zu den Kassen. Ich stand noch immer reglos mit der weggespreizten Hand. Was sollte ich tun? An das Natürlichste dachte ich zuerst: den wirklichen Gewinner aufsuchen, mich entschuldigen und ihm das Geld zurückerstatten. Aber das ging nicht an, und am wenigsten vor den Blicken jenes Offiziers. Ich war doch Reserveleutnant, und ein solches Eingeständnis hätte mich sofort meine Charge gekostet, denn selbst wenn ich das Tickett gefunden hätte, war schon das Einkassieren des Geldes eine unfaire Handlungsweise. Ich dachte auch daran, meinem in den Fingern zuckenden Instinkt nachzugeben, die Noten zu zerknüllen und fortzuwerfen, aber auch dies war inmitten des Menschengewühls zu leicht kontrollierbar und dann verdächtig. Keinesfalls wollte ich aber auch nur einen Augenblick das fremde Geld bei mir behalten oder gar in die Brieftasche stecken, um es später irgend jemandem zu schenken: das mir seit Kindheit so wie reine Wäsche anerzogene Sauberkeitsempfinden ekelte sich vor jeder auch nur flüchtigen Berührung mit diesen Zetteln. Weg, nur weg mit diesem Gelde, fieberte es ganz heiß in mir, weg, nur irgendwohin, weg! Unwillkürlich sah ich mich um, und wie ich ratlos im Kreise blickte, ob irgendwo ein Versteck sei, eine unbewachte Möglichkeit, fiel mir auf, daß die Menschen von neuem zu den Kassen zu drängen begannen, nun aber mit Geldscheinen in den Händen. Und der Gedanke war mir Erlösung. Zurückwerfen das Geld an den boshaften 83
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Amok Novellen einer Leidenschaft
Titel
Amok
Untertitel
Novellen einer Leidenschaft
Autor
Stefan Zweig
Datum
1922
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
158
Kategorien
Weiteres Belletristik
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