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buhlerische, alle aber dunkel und mit einem gedämpften Geräusch von Musik
und Stimmen, das aus dem Unsichtbaren, aus der Brust ihrer Gewölbe so
geheimnisvoll aufquoll, daß kaum die unterirdische Quelle zu erraten war.
Denn alle waren sie verschlossen und blinzelten nur mit einem roten oder
gelben Licht. Ich liebe diese Gassen in fremden Städten, diesen schmutzigen
Markt aller Leidenschaften, diese heimliche Anhäufung aller Verführungen
für die Matrosen, die von einsamen Nächten auf fremden und gefährlichen
Meeren hier für eine Nacht einkehren, ihre vielen und sinnlichen Träume in
einer Stunde zu erfüllen. Sie müssen sich verstecken irgendwo in einer
Niederung der großen Stadt, diese kleinen Seitengassen, weil sie so frech und
aufdringlich sagen, was die hellen Häuser mit blanken Scheiben und
vornehmen Menschen in hundert Masken verbergen. Musik klingt und lockt
hier aus kleinen Stuben, Kinematographen verheißen mit grellen Plakaten
ungeahnte Prächte, kleine viereckige Lichter ducken sich unter die Tore und
zwinkern mit vertraulichem Gruß eine sehr deutliche Einladung zu, zwischen
dem aufgetanen Spalt einer Tür schimmert nacktes Fleisch unter vergoldetem
Flitter. Aus den Cafés grölen die Stimmen der Berauschten und poltert der
Zank der Spieler. Die Matrosen grinsen, wenn sie hier einander begegnen,
ihre stumpfen Blicke werden grell von vieler Verheißung, denn hier ist alles,
Weiber und Spiel, Trunk und Schau, das Abenteuer, das schmutzige und das
große. All dies aber ist scheu und doch verräterisch gedämpft hinter den
heuchlerisch gesenkten Fensterläden, alles nur innen, und diese scheinbare
Verschlossenheit reizt durch die doppelte Verführung von Verborgenheit und
Zugänglichkeit. Diese Straßen sind gleich in Hamburg und Colombo und
Havanna, gleich da und dort wie auch die großen Avenuen des Luxus, denn
das Oben und Unten des Lebens hat die gleiche Form. Letzte phantastische
Reste einer sinnlich ungeregelten Welt, wo die Triebe noch brutal und
ungezügelt sich entladen, ein finsterer Wald von Leidenschaften und Dickicht
und voll triebhaften Getiers sind diese unbürgerlichen Straßen, erregend durch
das, was sie verraten, und verlockend durch das, was sie verbergen. Man kann
von ihnen träumen.
Und so war auch diese, in der ich mich mit einem Male gefangen fühlte.
Aufs Geratewohl war ich ein paar Kürassieren nachgegangen, die mit ihrem
nachschleifenden Säbel über das holprige Pflaster klirrten. Aus einer Bar
riefen Weiber sie an, sie lachten und schrien ihnen grobe Scherze zu, einer
klopfte an das Fenster, dann fluchte eine Stimme irgendwo, sie gingen weiter,
das Gelächter wurde ferner, und bald hörte ich sie nicht mehr. Stumm war
wieder die Gasse, ein paar Fenster blinkten unklar in einem Nebelglanz von
mattem Mond. Ich stand und sog atmend diese Stille ein, die mir seltsam
schien, weil hinter ihr etwas surrte von Geheimnis, Wollust und Gefahr.
Deutlich spürte ich, daß dieses Schweigen eine Lüge war und unter dem
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Buch Amok - Novellen einer Leidenschaft"
Amok
Novellen einer Leidenschaft
- Titel
- Amok
- Untertitel
- Novellen einer Leidenschaft
- Autor
- Stefan Zweig
- Datum
- 1922
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 158
- Kategorien
- Weiteres Belletristik