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ANNA FREUDS LITERARISCHE TExTE EINFÜHRUNG 17
Wie soll es weitergehen mit Freuds Jüngster? Schon früh wird ihr Inte-
resse an der Arbeit des Vaters manifest: Während ihres Kuraufenthaltes
in Bistrai will sich die noch nicht Fünfzehnjährige von Jekels Freuds Gradi-
va-Studie ausleihen,27 knapp ein Jahr später, im September 1911, verlangt
sie väterliche Berichterstattung vom 3 Internationalen Psychoanalyti-
schen Kongress in Weimar und lässt Ferenczi und Jung grüßen,28 und wie-
der etwas mehr als ein Jahr darauf bekennt sie: Ich habe hier auch einige
von Deinen Büchern gelesen, aber Du darfst nicht entsetzt darüber sein, ich
bin doch jetzt schon groß, und da ist es doch kein Wunder, wenn ich mich
dafür interessiere. Könntest Du uns nicht auch die letzte Imagonummer, die
ich in Wien versäumt habe, herschicken?29 Anna Freuds Annäherung an die
Psychoanalyse wird sich in den kommenden Jahren stetig intensivieren
Zunächst jedoch geht es um die Planung der nächsten Schritte für die Zu-
kunft. Mit dem Abschluss des Lyzeums, nach ohnehin um zwei Jahre über
die Pflicht verlängerter Schullaufbahn, hätte für die Siebzehnjährige jetzt
die ›Wartezeit‹ beginnen können – also die Zeit nach dem Schulabschluss
bis zur erhofften Heirat, wie sie für ›höhere Töchter‹ vorgesehen war30
und die »im Wesentlichen mit einer Weiterbildung im Allgemeinwissen,
Klavierspiel, Haushaltsführung sowie im Schneidern, Nähen und Sticken
ausgefüllt wurde.«31 Das Warten hätte für Anna gut sieben, acht Jahre
dauern können, denn der Vater wünschte keine allzu frühe Verheiratung
für seine Töchter: Du weißt, ich habe mir immer vorgenommen, Dich we-
nigstens bis zum 24. Jahr im Hause zu behalten, bis Du für die Aufgaben der
Ehe u vielleicht des Kinderhabens ganz erstarkt bist (…). In unseren sozia-
len u materiellen Verhältnißen heiraten Mädchen mit Recht nicht in der ers-
ten Jugend; sie werden sonst zu früh mit der Ehe fertig. Du weißt, daß Deine
Mutter 25 J bei ihrer Hochzeit war,32 schreibt Freud 1908 an Mathilde, und
für Anna stellt er sich ein ähnliches Heiratsalter vor, als er sie im Juli 1914
vor den Avancen warnt, die ihr seiner Befürchtung nach Ernest Jones zu
27 SF-AF, S 58, Brief v 13 Juli 1910
28 SF-AF, S 82 u S 80, Anm 2
29 SF-AF, S 102, Brief v 31 Jänner 1913
30 Vgl. Ehrmann-Köpke, »Demonstrativer Müßiggang« oder »rastlose Tätigkeit«?,
S 38
31 Ehrmann-Köpke, »Demonstrativer Müßiggang« oder »rastlose Tätigkeit«?, S. 184.
32 SF-BadK, S 49, Brief v 26 März 1908
Anna Freud
Gedichte – Prosa – Übersetzungen
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Anna Freud
- Untertitel
- Gedichte – Prosa – Übersetzungen
- Herausgeber
- Brigitte Spreitzer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79497-4
- Abmessungen
- 13.5 x 21.0 cm
- Seiten
- 144
- Schlagwörter
- Anna Freud, Psychoanalyse, Literatur, Frauengeschichte, Geschichte des Judentums, Wiener Moderne
- Kategorien
- Weiteres Belletristik