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ANNA FREUDS LITERARISCHE TExTE EINFÜHRUNG
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Beziehung zwischen Lou Andreas-Salomé und Anna Freud steht für einen
geistigen und emotionalen Austausch, der über gut drei Jahre, vom Be-
ginn der Freundschaft im November 1921 an bis Ende 1924, immer wieder
zentral um Annas literarisches Schaffen bzw. um Fragen der künstleri-
schen Produktion kreist Der Briefwechsel mit Lou ist diejenige histori-
sche Quelle, die ihre literarische Entwicklung am breitesten dokumen-
tiert und gleichzeitig ihre persönliche Entwicklung in den Jahren nach
der Aufgabe des Lehrberufes bis hin zur Etablierung als eigenständige
Analytikerin widerspiegelt Auch die tragende Rolle Lous in der Entschei-
dung für ein Leben in engster Verbindung mit dem Vater, vor allem ab
dem Zeitpunkt seiner ersten Krebsoperation im Frühjahr 1923, wird hier
deutlich Hätte das Dichten ein Ausweg sein können? Zumindest eine
Brücke von der Welt der primären Bindungen in jene Fremde, in der erst
das ganz Eigene entsteht? Aber doch hatte Lou ja auch das Schreiben
intrinsisch mit dem Vater verbunden (die schönste Umsetzung der väter-
lichen Psychoanalyse …). Hatte gleichzeitig seine Zurückhaltung bemerkt
und Anna dennoch weiter ermutigt Da gilt es Fäden zu entwirren, ohne
eindeutige Antworten zu wollen
Die Suchbewegung geht von Anfang an in beide Richtungen – künst-
lerische Produktivität und deren psychoanalytische Reflexion. Ende 1921
waren Lou und Anna einander erstmals persönlich begegnet, Ende Mai
1922 hielt Anna ihren Vortrag vor der Wiener Psychoanalytischen Vereini-
gung Noch in der Nacht nach dem Vortrag schreibt sie an Lou, mit der sie
Ende April, Anfang Mai in Göttingen daran gearbeitet hatte157: Du weißt,
wenn Ehre dabei war, so gehört mehr als die Hälfte Dir.158 Der Vortrag, den
der Vater nach Fertigstellung redigiert hatte,159 verfolgt die Entwicklung
von Schlagefantasien über deren Substitution durch ›schöne Geschich-
ten‹ bis zu deren Verschriftung mit literarischem Anspruch Letzte Zwei-
fel an der Identität der fünfzehnjährigen Tagträumerin und Erzählerin
nehmen die Hinweise in den Briefen an Lou, in denen Anna wiederholt
auf ihre Tagträume und ›schönen Geschichten‹ Bezug nimmt und sich
ganz eindeutig als Objekt ihrer eigenen Studie, als ihren ›ersten Fall‹ zu
157 LAS-AF, I, S 42
158 LAS-AF, I, S 51
159 LAS-AF, I, S 46
Anna Freud
Gedichte – Prosa – Übersetzungen
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Anna Freud
- Untertitel
- Gedichte – Prosa – Übersetzungen
- Herausgeber
- Brigitte Spreitzer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79497-4
- Abmessungen
- 13.5 x 21.0 cm
- Seiten
- 144
- Schlagwörter
- Anna Freud, Psychoanalyse, Literatur, Frauengeschichte, Geschichte des Judentums, Wiener Moderne
- Kategorien
- Weiteres Belletristik