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ANNA FREUDS LITERARISCHE TExTE EINFÜHRUNG 71
nengelernt, mit der sich eine beruflich produktive und persönlich berei-
chernde Freundschaft entwickelte, und in der zweiten Jahreshälfte 1925
trat Dorothy Burlingham mit ihren vier Kindern in ihr Leben Außerdem
erhielt sie als Geschenk vom Vater den Hund Wolf, dessen animalische
Unbekümmertheit um soziale Normen Annas Lust am ›Schlimmsein‹ her-
vorlockte Da mag nun Lou sagen, was sie will (täglich einmal raufen, tun
übrigens doch ›erzogene‹ Hundecharaktere nicht323), Anna fordert: Jetzt
muß ich auch einmal – wie mein ›Wolf‹ einmal täglich mit allen Hunden rau-
fen dürfen.324 Auch die Formulierung, dass sie, wann immer möglich, zur
Eva Rosenfeld durchgehe325, spiegelt die Identifikation mit dem Tier wider,
das sich der Ketten und Leinen und Zügel entledigt und ins Freie stürmt.
1927 trennte sie sich zum ersten Mal seit seiner Krebserkrankung für län-
gere Zeit von Freud und machte mit Dorothy Burlingham eine ausgiebige
Reise durch Oberitalien 326 Es folgen Reisen nach Paris und London 327 Im
Mai 1929 fliegt sie zum ersten Mal, mit Dorothy nach Salzburg: Es war
herrlich. Wir waren 3000 m hoch über dem ganzen Salzkammergut über
lauter Seen und Schneebergen. Man ist viel glücklicher in der Luft als auf der
Erde.328 ›Schöne Geschichten‹ gab es jetzt keine mehr, die den Vogel in
den Käfig zurücklocken sollten.329 1929 zog Dorothy mit ihren Kindern in
die Berggasse 19, in eine Wohnung über den Freuds.330 Der Vater beobach-
tete den Gang der Dinge mit Wohlwollen Im Jänner 1929 beispielsweise
schrieb er an Binswanger: Unsere Symbiose mit einer amerikanischen Fami-
lie (ohne Mann), deren Kinder meine Tochter mit fester Hand analytisch
großzieht, befestigt sich immer mehr, so daß auch unsere Bedürfnisse für
den Sommer gemeinsam sind. Unsere beiden Hunde, der treue Wolf und die
sanfte Chinesin Lun Yug, sind die jüngste Vergrößerung der Familie.331 Höhe-
punkt dieser Entwicklung war wohl der gemeinsame Kauf eines Bauern-
323 LAS-AF, II, S 455
324 LAS-AF, II, S 454
325 LAS-AF, II, S 482
326 SF-AF, S. 446, Anm. 3 u. S. 458 ff.
327 SF-AF, S 496 u S 500
328 LAS-AF, II, S 570
329 Nr. 19
330 AF-ER, S 85
331 SF-LB, S 220
Anna Freud
Gedichte – Prosa – Übersetzungen
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Anna Freud
- Untertitel
- Gedichte – Prosa – Übersetzungen
- Herausgeber
- Brigitte Spreitzer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79497-4
- Abmessungen
- 13.5 x 21.0 cm
- Seiten
- 144
- Schlagwörter
- Anna Freud, Psychoanalyse, Literatur, Frauengeschichte, Geschichte des Judentums, Wiener Moderne
- Kategorien
- Weiteres Belletristik