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3 AntimuslimischerRassismusalsanalytischesKonzept 71
3.5.1 Rassismusproduziert seinObjekt
Rassismus bringt selbst erst hervor, was er abwertet, oder anders: Rassis-
musproduziert seinObjekt.Dies kannals erstesKerntheoremkritischerRassis-
mustheorie bezeichnet werden. Sie setzt sich damit von früheren Verständ-
nissen vonRassismus ab,die nicht dieBehauptungder objektivenExistenz
vonMenschenrassen, sondern nur deren ungleiche Behandlung zum Pro-
blemerklärten.Paradigmatischdafür stehtdasWerkderUS-amerikanische
Anthropologin RuthBenedict, dasmaßgeblich zur internationalenVerbrei-
tungdesBegriffsRassismusbeigetragenhat.Vorallemihr1940aufEnglisch,
1950 in deutscher Übersetzung erschienenes, populäresWerk »Race – Sci-
enceandPolitics« (Benedict 1959) ist hier instruktiv.Fürdiese früheAusein-
andersetzungenmit Rassismuswar charakteristisch, dass sie ihn als »race
prejudice« (ebd.)oder»Rassenwahn« (Hund2015: 493) ablehnte,dieExistenz
vonMenschenrassen jedoch als objektives Faktum anerkannte. Der Begriff
des Rassismus zielte, soWulfD.Hund kritisch rekapitulierend, »vorrangig
nicht auf die Lehre von den Rassen, sondern auf deren angebliche Verfäl-
schung« (Hund2016: 513).WieanhanddesKonzeptsderGruppenbezogenen
Menschenfeindlichkeitgezeigtwurde,istdieAnnahme,diskriminierteGrup-
pen existierten als positive Entitäten aber auch dann problematisch, wenn
ihrkeinvermeintlichobjektivesSubstratder rassischenKategorisierungvon
Menschenzugrunde liegt.KritischeRassismustheorienwendensichdeshalb
gegen die »Objektannahme« der Vorurteilsforschung (Scherschel 2006: 29).
»Rassismus«bezeichnetdann»nicht einfach ›Feindlichkeit‹ undasymmetri-
scheVerhältnisse derÜber- undUnterordnung zwischen ›Rassen‹, sondern
schon die soziale und diskursive Praxis der Konstruktion dieser Gruppen.«
(Müller-Uri 2014: 65). Die »Theorie des antimuslimischen Rassismus« gehe,
soImanAttia„»davonaus,dassdieAdressierungvonAnderenalsessenzielle
Gruppe,diedereigenendichotomgegenübersteht,demPhänomennichtvor-
ausgeht,sondern imProzessdesOtheringsersthervorgebrachtwird«. (Attia
2013b: 4)
DieThese,dassRassismusseinObjektproduziert,hatweitreichendefor-
schungsstrategische Konsequenzen.Die Untersuchung von Rassismus darf
wederdasVerhaltenderrassistischUnterdrücktennochdieErfahrungen,die
Menschenmit den rassistischUnterdrücktenmachen, zumAusgangspunkt
nehmen.Siestellt sichdamitgegenweithinverbreiteteHaltungensowohl in
der wissenschaftlichenwie in der alltäglichen Praxis. Zugleich schließt sie
an eine Denkfigur an, die eine lange Tradition in der kritischen theoreti-
Im Namen der Emanzipation
Antimuslimischer Rassismus in Österreich
- Titel
- Im Namen der Emanzipation
- Untertitel
- Antimuslimischer Rassismus in Österreich
- Autor
- Benjamin Opratko
- Verlag
- transcript Verlag
- Ort
- Bielefeld
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4982-0
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 366
- Schlagwörter
- Rassismus, Österreich, Islam, Moslem, Fremdenfeindlichkeit, Religion
- Kategorien
- Weiteres Belletristik