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72 ImNamenderEmanzipation
schen Auseinandersetzungmit Rassismus, Antisemitismus und Kolonialis-
mus aufweist. Um sie zu verdeutlichen soll hier kurz auf drei wegweisen-
deAnalysenverwiesenwerden, indenendieAblehnungderObjektannahme
schonfrühformuliertwurde: Jean-PaulSartres»ÜberlegungenzurJudenfra-
ge«,MaxHorkheimersundTheodorW.Adornos»ElementedesAntisemitis-
mus« in deren »Dialektik der Aufklärung« sowie Edward Saids »Orientalis-
mus«.
Jean-PaulSartres »Überlegungenzur Judenfrage«unddie »Dialektikder
Aufklärung«vonMaxHorkheimerundTheodorW.Adornountersuchtenun-
abhängig voneinander, aber auf ähnlicheWeise denmodernenAntisemitis-
musamHöhepunktseinereliminatorischenGewalt.BeideWerkeerschienen
1944.WasdiedreiAutoreneinte,soHans-JoachimHahnundOlafKistenma-
cherinihrertheoriegeschichtlichenAufarbeitung,war»dieEinsicht,dassdie
Motive für diemoderne Judenfeindschaft nicht imVerhalten der Jüdinnen
und Juden, sondern ausschließlich imDenkenund Fühlen der Antisemiten
zu suchen seien«, was einen »Wendepunkt« für die Antisemitismustheorie
darstellte (Hahn/Kistenmacher 2014: 1). TatsächlichwirddieseThese sowohl
in Sartres Traktat als auch in den »Elementen des Antisemitismus« ausge-
führtundbegründet.Sartrefasstsieprägnantsozusammen:»DieErfahrung
istalsoweitdavonentfernt,denBegriffdesJudenhervorzubringen,vielmehr
ist esdieser,derdieErfahrungbeleuchtet; existierteder Judenicht,derAn-
tisemitwürde ihnerfinden« (Sartre 1994 [1944]: 12).AntisemitInnenwenden
sich gegen Juden und Jüdinnen ganz unabhängig davon,wie diese sich als
Einzelne verhalten; dies istmöglich,weil derAntisemitismus sichgegenei-
ne abstrakte Figur des ›Jüdischen‹ richtet, oder,wie Sartre formuliert: »Wie
wir es auchwenden,die Idee vomJuden erscheint [imAntisemitismus,Anm.
B.O.] als dasWesentliche« (Sartre 1994 [1944]: 14; Herv. i. O.). Zugleich ver-
dichtensich inder ›IdeevomJuden‹verschiedenegesellschaftlicheundindi-
viduelleKrisendynamiken,sodassderAntisemitismusdemAntisemitenbzw.
der Antisemitin dieMöglichkeit einer umfassenden Selbstbehauptung und
-positionierung in einer gesellschaftlichenWiderspruchskonstellation eröff-
net:»DerAntisemitismusisteinefreieundtotaleWahl,eineumfassendeHal-
tung,diemannichtnurden Juden,sonderndenMenschen imallgemeinen,
derGeschichteundderGesellschaft gegenübereinnimmt; er ist zugleichei-
ne Leidenschaft und eineWeltanschauung.« (Sartre 1994 [1944]: 14). Sartre
greift hier aufÜberlegungenausderFreud’schenPsychoanalysezurück,um
dieBeschaffenheit desAntisemitenzubegreifen (Sartre 1994 [1944]: 30).Der
Jude istChiffreundProjektionsfläche fürdenAntisemiten–»einVorwand«
Im Namen der Emanzipation
Antimuslimischer Rassismus in Österreich
- Titel
- Im Namen der Emanzipation
- Untertitel
- Antimuslimischer Rassismus in Österreich
- Autor
- Benjamin Opratko
- Verlag
- transcript Verlag
- Ort
- Bielefeld
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4982-0
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 366
- Schlagwörter
- Rassismus, Österreich, Islam, Moslem, Fremdenfeindlichkeit, Religion
- Kategorien
- Weiteres Belletristik