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auf die hier angeschnittenen Überlegungen von Horkheimer und Adorno.
Für Sartre bedeutet die These, dass der Jude im Antisemitismus nur als
»Vorwand« fungiert, dass seine Identität historisch-räumlich kontingent ist
und formuliert, dass man sich zum selben Zwecke »woanders« eben »des
NegersoderdesGelbenbedienen«würde(Sartre1994[1944]:36).Horkheimer
und Adorno dagegen betonen den Unterschied zwischen Antisemitismus
und kolonialemRassismus.Während in letzteremdie kolonial Unterdrück-
ten als Minderwertige von der eigenen ›Rasse‹ geschieden werden, gelten
in ersterem Juden und Jüdinnen als »Gegenrasse, das negative Prinzip als
solches« (Horkheimer/Adorno 2000 [1944]: 204).Daraus erwächst ein quali-
tativerUnterschied: »dieNegerwillmandorthalten,wosiehingehören,von
den Juden aber soll die Erde gereinigt werden« (Horkheimer/Adorno 2000
[1944]: 205). Auch für diese Unterscheidung spielen psychoanalytische Ka-
tegorien einewesentlicheRolle,wieBirgit Rommelspacher zusammenfasst:
So werde Antisemitismus »eher von ›Über-Ich-Projektionen‹ genährt« die
»denAndereneinZuviel an Intelligenz,ReichtumundMacht zuschreib[en],
während der koloniale Rassismus stärker von ›Es-Projektionen‹ bestimmt
ist,diedenAnderenbesondereTriebhaftigkeit, Sexualität undAggressivität
unterstellen« (Rommelspacher 2009b: 26-27). Zudemunterschieden sie sich
auch inHinblickauf ihreFunktion,dadermoderneAntisemitismus,anders
als der koloniale Rassismus,Welterklärungen, häufig in Form elaborierter
Verschwörungstheorien, anbiete. Ob dies eine kategoriale Unterscheidung
zwischen Rassismus und Antisemitismus rechtfertigt, bleibt jedoch um-
stritten (Cousin/Fine 2012). Dagegen wurde eingewandt, dass die für den
Antisemitismus charakteristischenMerkmale keineswegs so exklusiv sind,
wiehäufigangenommen.EliminatorischeElemente fandenundfindensich
etwaauchimRassismusgegenSintiundRomainEuropaoder imkolonialen
Rassismus. Umgekehrt weisen historische Forschungen darauf hin, dass
der Antisemitismus, auch in seiner genozidalen Ausprägung, von einer
Gleichzeitigkeit der Projektionen geprägt war. Juden und Jüdinnen wurde
historisch bisweilen auch sexuelle Triebhaftigkeit (Biberman 2016) oder –
etwa in ›antizionistischen‹ Ausprägungen des Antisemitismus nach 1948 –
besondere Aggressivität unterstellt (Beller 2007: 110-119). Schließlich stellen
Untersuchungender IslamophobiaStudies fest,dassauchantimuslimischer
Rassismus Elemente einer ›Welterklärung‹ aufweisen und in umfangreiche
Verschwörungstheorien etwa zur ›Islamisierung Europas‹ eingebettet sein
kann. Dabei können sich antimuslimische und antisemitische Verschwö-
rungstheorien auch verschränken. Ein jüngeres Beispiel ist das Traktat des
Im Namen der Emanzipation
Antimuslimischer Rassismus in Österreich
- Titel
- Im Namen der Emanzipation
- Untertitel
- Antimuslimischer Rassismus in Österreich
- Autor
- Benjamin Opratko
- Verlag
- transcript Verlag
- Ort
- Bielefeld
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4982-0
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 366
- Schlagwörter
- Rassismus, Österreich, Islam, Moslem, Fremdenfeindlichkeit, Religion
- Kategorien
- Weiteres Belletristik