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3 AntimuslimischerRassismusalsanalytischesKonzept 97
die ›Sarrazindebatte‹ gerade keinenBeleg für dieThese der Rassenanalogie
imKulturrassismus.
Zweitensbleibthäufigunklar,obindemKonzeptdeskulturalisiertenRassis-
musauchdievonTaguieffaufgestellteThesedesdifferentialistischenRassismus
eingeschlossenist–undwennja,wie letztereverstandenwird.Shoomaner-
klärt ausdrücklich,dass antimuslimischerRassismus für sie zwareinkultu-
ralistischer, jedochkeindifferentialistischerRassismus ist. In letzteremwer-
de »gegen eineVermischungund für die Beibehaltungdifferenter Kulturen
plädiert (›Recht aufDifferenz‹), dabei aber vorgeblich ihre Gleichwertigkeit
behauptet« (Shooman2014a:58,Fn134).CakirdagegensiehtkulturellenRas-
sismusgegenMuslimInnenalsverbundenmit»dem›natürliche[n]Recht‹auf
AbgrenzungundSicherungder eigenenkulturellen Identität […]. Innerhalb
dieses neo-rassistischenDiskurses sind ›kulturelle Differenzen‹ essentialis-
tisch als unveränderlicheGrößen kodiert« (Cakir 2014: 124-125). In den ver-
schiedenenVerwendungendesBegriffs spiegelt sicheinegrundlegendeAm-
bivalenz: Soll der differentialistischeRassismusbeimWort genommenwer-
den,wenn er dieGleichwertigkeit derKulturen behauptet? Taguieff scheint
dazuzu tendieren.Er identifiziert einen»heterophilen«Rassismus,derDif-
ferenznichtauslöschen,sondernzelebrierenwillundsichdarin–das istdie
›skandalöse‹ Pointe seines Buchs–mit einer spiegelbildlichenVariante des
Antirassismus einig ist (Taguieff 2001: 230-258). Bei Balibar, der Taguieffs
Konzept aufgreift, ist dasGegenteil der Fall. Ihm scheint »ohne Schwierig-
keiten sichtbar, dass in denneorassistischenLehrendasThemaderHierar-
chieeherdemAnscheinnachausgelöschtist.DerGedankederHierarchie[…]
stelltsicheinerseitsinderPraxisderLehrenher[…],andererseitsisterinden
Kriterienangelegt,die verwendetwerden,umdieDifferenzderKulturenzu
denken«(Balibar1992b:33).DasscheintmireinbedeutsamerHinweiszusein:
Die Linien derDifferenzwerden eben nicht zufällig entlang jener Grenzen
gezogen,die vonKolonialismusundImperialismus Jahrhundertezuvorher-
gestelltwurden.DieHerstellungkulturellerFremdheit ruht also,auchwenn
sie sich differentialistisch gibt, auf einer hierarchischenOrdnung derWelt
auf.6
6 Damit sindauchZurückweisungendesKonzeptsdeskulturellenRassismuswie jenevon
Stolcke(1995)hinfällig.Stolckeverbindeteinenges,andenRassebegriffgebundenesVer-
ständnisvonRassismusmiteinerunkritischenÜbernahmedifferentialistischerBehaup-
tungen.Rassismusoperiertfürsienotwendig»withaparticularisticcriterionofclassifica-
tion,namely ›race‹,whichchallenges theclaimtoequalhumannessbydividinghuman-
kindintoinherentlydistrictgroupsorderedhierarchically,onegroupmakingaclaimtoex-
Im Namen der Emanzipation
Antimuslimischer Rassismus in Österreich
- Titel
- Im Namen der Emanzipation
- Untertitel
- Antimuslimischer Rassismus in Österreich
- Autor
- Benjamin Opratko
- Verlag
- transcript Verlag
- Ort
- Bielefeld
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4982-0
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 366
- Schlagwörter
- Rassismus, Österreich, Islam, Moslem, Fremdenfeindlichkeit, Religion
- Kategorien
- Weiteres Belletristik