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104 ImNamenderEmanzipation
darin besteht, gemeinschaftsstiftend zu sein. Jenen, die selbst nicht von
antimuslimisch-rassistischer Veranderung betroffen sind, bietet dieser
Rassismus also dieMöglichkeit, sich einer Gemeinschaft von Überlegenen
zuzurechnen.DiesbezeichnetImanAttia(2013b:13)als»Revitalisierungeiner
nationaleneuropäischenIdentität«;YaseminShoomanweistdaraufhin,dass
antimuslimischer Rassismus »zunehmend auch auf einer übernationalen
Ebene eine integrierende Funktion bei der Anrufung einer gemeinsamen
europäisch-abendländischen Identität« zukommen (Shooman 2014a: 51).
Beide stellen die rassistischeGemeinschaftsbildung in denZusammenhang
spezifisch deutscher Identitätskrisen. Attia (2013b: 12) identifiziert den
antimuslimischen Rassismus als Mittel, um »sich der jüngsten deutschen
Geschichte zu entledigen und eine positive historische Identität zu kon-
struieren«. Denn der Nationalsozialismus erschwere »die Identifizierung
mit dieser [deutschen] Nation« besonders. Shooman stellt ihn dagegen in
den Zusammenhang der bundesdeutschen Migrationsgeschichte seit den
1980er Jahren und den daran anschließendenDebatten, »die das nationale
Selbstverständnis und Zugehörigkeitsfragen in einer sich durch Einwan-
derung wandelnden Gesellschaft verhandeln« (Shooman 2014a: 51). Beide
Argumente sind nachvollziehbar und stützen sich auf jeweils eigene dis-
kursanalytischeUntersuchungen.Sie können als konjunkturelleBestimmung
derFunktionsweisendesantimuslimischenRassismus jedochnichtdieRolle
einer theoretisch fundierten Erklärung der gesellschaftlichen Funktion des
Rassismus inseiner langenGeschichteeinnehmen.
Wennwir es alsomit der Funktiondes antimuslimischenRassismus zu
tunhaben,»eingesellschaftlichesGefügeaufrecht[zu]erhalten«(Attia2013b:
11) – umwelches Gefüge handelt es sich dann? Für Attia und Shooman ist
es das rassistische Gefüge selbst: Das Vorenthalten von Bürgerrechten, die
Aufrechterhaltung einer kolonialenWeltordnung und die Unterschichtung
des Arbeitsmarktes oder die Abwehr der gesellschaftlichen Partizipation
von MuslimInnen im Staatsdienst durch Kopftuchverbote. Rassismus ist
demnacheineFormderDiskriminierung,die ihre eigeneLegitimationpro-
duziert. Allerdings ist das bei genaueremHinsehen kein Argument für die
»Funktionen des antimuslimischen Rassismus« (Shooman 2011: 66). Funk-
tional ist etwas immer für etwasanderes–sonstwirddasArgument zirkulär:
Rassismuswäredannfunktional,weil erdenRassismusaufrechterhält.
EinalternativesVerständnisbietetFannyMüller-Urian.SiestimmtShoo-
manundAttiazu,dassRassismusgemeinschaftsstiftenwirkt,verknüpftdie-
seTheseabermiteinemklassentheoretischenArgument.FürMüller-Uri»lau-
Im Namen der Emanzipation
Antimuslimischer Rassismus in Österreich
- Titel
- Im Namen der Emanzipation
- Untertitel
- Antimuslimischer Rassismus in Österreich
- Autor
- Benjamin Opratko
- Verlag
- transcript Verlag
- Ort
- Bielefeld
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4982-0
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 366
- Schlagwörter
- Rassismus, Österreich, Islam, Moslem, Fremdenfeindlichkeit, Religion
- Kategorien
- Weiteres Belletristik