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106 ImNamenderEmanzipation
Damit isteinentscheidenderUnterschiedzuprivilegientheoretischenAnsät-
zen in der Rassismustheorie benannt. In solchenwird davon ausgegangen,
dass tendenziellGleiche– inHinblick auf die ihnen durch die rassistischen
Verhältnisse zukommendenPrivilegien– inder rassistischenGemeinschaft
zusammengehaltenwerden.InHundsklassentheoretischerAusarbeitungda-
gegenwerden tendenziellUngleiche– inHinblick auf ihre Stellung zu Pro-
duktionsmittelnundpolitischerAutorität–vergemeinschaftet.1SozialeUn-
gleichheitwirddurchRassismusfĂĽr jene,diesichderaufgewertetenGruppe
zurechnenkönnen,nichtdurchdieVergabevonPrivilegiennivelliert,sondern
konserviert:
»RassistischeAbgrenzung […] ermöglicht soAbgrenzung,Aufwertungund
ProtestineinemundstabilisiertgleichzeitigdieVerhältnisse,denensichdie
MotivationfürihreAnwendungverdankt. […]AufdieseWeisestelltsieallen
Mitgliedern derGesellschaft einMediumder Identitätsbildung zur Verfü-
gung,dasvonderenrealerVerfĂĽgungĂĽbersozialeundkulturelleRessourcen
unabhängigist.« (Hund2007:126)
Dieses Modell bietet eine Grundlage, um die Frage nach der Funktionali-
tät–unddamit auchder Stabilität undPrävalenz–des gegenwärtigen an-
timuslimischen Rassismus zu stellen.MĂĽller-Uri hat bereits skizziert, wie
diePerspektivedernegativenVergesellschaftungdafĂĽrzurAnwendungkom-
men könnte (die dafür nötigen empirischen Untersuchungen stehen aller-
dings noch aus). Es wirft aber auch einige Probleme auf, die hier genannt
werden sollen. Erstens gerät Hunds Argumentation bisweilen in die Nähe
desFunktionalismus.Einsolcher liegtvor,wenndieExistenzvonRassismus
ausdessennotwendigerFunktionfĂĽrdieAufrechterhaltungvonKlassenherr-
schaft abgeleitetwird.Hundentgeht einemsolchenFunktionalismusmeist,
indem er detailliert die Ausarbeitung undDurchsetzung von rassistischem
Ein-undAusschluss ankonkretenhistorischenFällenbeschreibt unddamit
dasHandelnderPersonennicht einerStrukturlogikunterordnet.Allerdings
lässt seine Konzeption der negativen Vergesellschaftung offen,wie,warum
1 DamitstehtHunddenIdeenvonW.E.B.DuBois (1985[1935])unddenfrĂĽhen,marxistisch
inspiriertenUS-amerikanischenCriticalWhitenessStudies (CWS)nahe (vgl.Allen2014a
[1994], 2014b [1997]; Ignatiev 2003; Roediger 1999 [1991]), die in der deutschsprachigen
Rezeptionjedochweitgehendignoriertwerden.Hierdominierenprivilegientheoretische
undidentitätspolitischeVariantender»Weißseinsforschung«(vgl.Karakayalı2015).
Im Namen der Emanzipation
Antimuslimischer Rassismus in Ă–sterreich
- Titel
- Im Namen der Emanzipation
- Untertitel
- Antimuslimischer Rassismus in Ă–sterreich
- Autor
- Benjamin Opratko
- Verlag
- transcript Verlag
- Ort
- Bielefeld
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4982-0
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 366
- Schlagwörter
- Rassismus, Ă–sterreich, Islam, Moslem, Fremdenfeindlichkeit, Religion
- Kategorien
- Weiteres Belletristik