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die sich über Klassenkämpfe, tiefe soziale Krisen und interne politische
Rivalitäten hinweg als so widerstandsfähig gegen ihre Transformation in
einesozialistischeGesellschaftsordnungerwiesenhat?Umsiezubearbeiten
entwickeltGramscidenBegriffderHegemoniezumSchlüsselkonzeptseiner
politischenTheorie. In für ihn typischerManier (vgl. Ives 2004: 65) greift er
einen in verschiedenen Debattenzusammenhängen zirkulierenden Begriff
auf und übersetzt ihn in ›seine‹ Problematik.7 Hegemonie bezeichnet bei
GramscifortanjeneFormderkonsensbasiertenundkompromissvermittelten
Machtausübung,die inmodernen,kapitalistischenNationalstaatenEuropas
vorherrscht und das politische Terrain strukturiert, auf dem verschiedene
sozialeKräfteumEinflussundFührungringen:
»Die ›normale‹ Ausübung der Hegemonie auf dem klassisch gewordenen
FelddesparlamentarischenRegimes zeichnet sichdurchdieKombination
von Zwang und Konsens aus, die sich in verschiedenerWeise dieWaage
halten, ohnedass der Zwang zu sehr gegenüber demKonsens überwiegt,
sondernimGegenteilsogarversuchtwird,zuerreichen,dassderZwangauf
denKonsensderMehrheitgestütztscheint,wieervondensogenanntenOr-
ganenderöffentlichenMeinung–ZeitungenundVerbände–ausgedrückt
wird«(GH:1610).
Die Stabilität undWiderstandsfähigkeit einermodernen gesellschaftlichen
OrdnunglässtsichfürGramscialsonichtinersterLinieaufdieDurchsetzung
vonGesetzendurchdieAnwendungoderAndrohungvonZwangzurückfüh-
ren.Umzu ›herrschen‹musseinegesellschaftlicheGruppeZustimmungor-
ganisieren,also ›führen‹ (vgl.GH:1947).DieseFührung,unddamitpolitische
Macht, vermittelt sich nicht allein über die Organe des Staates im formel-
lenSinn, sondernnimmtdasgesamteNetzwerkdergesellschaftlichenMei-
nungsbildungundderOrganisationdesAlltags inAnspruch.Gramscinennt
es das »Ensemble […] der gemeinhin ›privat‹ genanntenOrganismen« oder
»die Ebene der Zivilgesellschaft« (GH: 1502). Zusammenmit demStaat im
7 Inder rezenten Forschungwerden zweiHauptquellen fürGramscisHegemoniekonzept
herausgestellt(vgl.Boothman2011).EinerseitsdieStrategiedebattenderrussischenSozi-
aldemokratiebzw.derkommunistischenParteivorundnach1917,wobeiGramsciselbstals
DelegierterzurKommunistischenInternationaleninMoskau(1922-1923und1925)andie-
senDiskussionenteilnahm(Brandist2015);andererseitslinguistischeDebatteninItalien,
insbesonderedieArbeitendesSprachwissenschaftlersMatteoBartoli,beidemGramsciin
Turinstudierthatte(Carlucci2013; Ives2004).
Im Namen der Emanzipation
Antimuslimischer Rassismus in Österreich
- Titel
- Im Namen der Emanzipation
- Untertitel
- Antimuslimischer Rassismus in Österreich
- Autor
- Benjamin Opratko
- Verlag
- transcript Verlag
- Ort
- Bielefeld
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4982-0
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 366
- Schlagwörter
- Rassismus, Österreich, Islam, Moslem, Fremdenfeindlichkeit, Religion
- Kategorien
- Weiteres Belletristik