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116 ImNamenderEmanzipation
dem italienischenNationaldichterGiovanni Pascoli auseinander, der zuBe-
ginndes 20. Jahrhunderts der sozialistischenArbeiterbewegungnahestand.
Gramsci zitiert eine Aussage Pascolis aus dem Jahr 1900, in der dieser sei-
ne»Mission«erklärt,»denGedankendesVaterlandsundderNationundder
Rasse indenblindenundeiskaltenSozialismusvonMarxeinzuführen« (GH:
263).GramscinenntPascoliden»HeroldeinesnationalenSozialismus« (GH:
266) und behandelt ihn exemplarisch für jene Strömungen imUmfeld der
sozialistischenPartei, die vehement fürdieUnterstützungder italienischen
Kolonialpolitik eintraten.Die versuchteEinführungderKategoriederRasse
indensozialistischenDiskurswirdvonGramsci indenZusammenhangmit
den»vielenwiederholtenVersuche[n]vonLiteraten«gesetzt,»inItalieneinen
Nationalsozialismuszufördern(dasheißt,diegroßenMassenzurnationalen
odernationalistisch-imperialistischen›Idee‹hinzuführen)«(GH:812).Rassis-
mustauchtdemnachalsElementindenAuseinandersetzungenumpolitische
Führung auf, spielt also schon hier eine Rolle inGramscis Analyse vonHe-
gemonie.EinnochwichtigererFaktorwirdRassismus jedoch imKontextei-
nerweiteren,fürGramscizentralenpolitischenFrage:Die›FragedesSüdens‹
(›Questionemeridionale‹)beschäftigt ihnschonseitseinenerstenpolitischen
Aktivitäten. Sie betrifft das Verhältnis zwischen dem industrialisierten, ur-
banisiertenundproletarisiertenNordenunddemagrarischgeprägtenSüden
Italiens,dervonderHerrschaftgroßerGrundbesitzerundderkulturellenDo-
minanzderkatholischenKirchegeprägtwar,aberauchvon»episodenhaften«
FormendesWiderstands, lokalenOrganisierungsformenundBanditentum.
SchonalssozialistischerAktivistderGruppe»L’OrdineNuovo«inTurinhatte
Gramscidie strategischeBedeutungdieserFrage fürdie italienischeRevolu-
tionbeständigbetont (vgl.Rosengarten2011). InderSchrift »EinigeAspekte
derFragedesSüdens«von1926,dieaufgrundseinerVerhaftungunvollendet
blieb, schreibtGramsci,dassder »GrundgedankederTurinerKommunisten
[…]derdespolitischenBündnisseszwischendenArbeiterndesNordensund
denBauerndesSüdens[gewesenist],umderBourgeoisiedieStaatsmachtzu
entreißen«(Gramsci1955:7).DasScheiternderRevolution,dieNiederlageder
italienischenArbeiterbewegungundihreZerschlagungdurchdenFaschismus
führtGramsciwesentlichdaraufzurück,dassesnichtgelungenwar,einsol-
chesBündnis zubilden, in demdie armeLandbevölkerungdes Südensden
Erfolgder streikendenArbeiterInnen imNordenals Teil undBedingung ih-
rer eigenenBefreiungwahrgenommenhätte.DerArbeiterbewegungwar es
nicht gelungen, in diesemSinne Führung–Hegemonie– zuübernehmen.
DieBauernschaftwarüberwiegendinderAllianzmitdenLandbesitzernund
Im Namen der Emanzipation
Antimuslimischer Rassismus in Österreich
- Titel
- Im Namen der Emanzipation
- Untertitel
- Antimuslimischer Rassismus in Österreich
- Autor
- Benjamin Opratko
- Verlag
- transcript Verlag
- Ort
- Bielefeld
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4982-0
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 366
- Schlagwörter
- Rassismus, Österreich, Islam, Moslem, Fremdenfeindlichkeit, Religion
- Kategorien
- Weiteres Belletristik