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humaneren Formen […], je nach demEntwicklungsgrad der Arbeiterklasse
selbst« (ebd.). Zugleich greift Marx im Vorwort jedoch weiter auf die na-
turgeschichtlicheMetaphorik notwendiger Entwicklung zurück, etwawenn
erschreibt,dasseineGesellschaft»naturgemäßeEntwicklungsphasenweder
überspringennochwegdekretieren«könne (MEW23: 16).KevinB.Anderson
weist inseinemBuch»Marxat theMargins«daraufhin,dassMarxseineIn-
tention inder fünf Jahrespäterveröffentlichtenundvonihmselbst redigier-
tenfranzösischenAusgabeverdeutlicht.HiermodifiziertMarxdienotorische
Passageso,dassdas»industriell entwickeltereLand«nun jenenLänderndas
Bild ihrer Zukunft zeige, die dem industriellenMaßstab/Pfad (»l’echelle industri-
elle«) folgen.11Andersonkommentiert: »Societies ofMarx’s time that hadnot
yetembarkedupon ›the industrialpath,‹ suchasRussiaandIndia,werenow
explicitly bracketed out, leaving open the notion of alternative possibilities
for them«.Für ihnverweist diePräzisierungauf eineVeränderung inMarx’
Geschichtsauffassung, »[an] evolution of his thought away from the impli-
cit unilinearism of theManifesto, a process that had been underway since
the 1850s« (Anderson 2010: 178). Anderson präsentiert eine Reihe von Indi-
zien12 fürMarx’ fortschreitende Distanzierung von der unilinearen und in
diesemSinnehistorizistischenWeltauffassung,dienochseineBerichterstat-
tungüberIndienunterbritischerKolonialherrschaftAnfangder1850erJahre
geprägt hatte.13 Spätestens Anfang der 1870er, so AndersonsThese, tritt an
derenStelleeinVerständnismultilinearerundpluralerEntwicklungsweisen,
dasmit demvonChakrabarty unterstellten »First in Europe, then elsewhe-
re«-Narrativ nichtmehr viel gemein hat.Deutlichen Ausdruck findet diese
11 »Lepays leplusdéveloppéindustriellementnefaitquemontreràceuxqui lesuiventsur
l’échelle industrielle l’imagedeleurpropreavenir« (zit. inAnderson2010:275,Fn25).
12 Andersonkannaufumfangreiches,teilweiseunveröffentlichtesMaterialausMarx’Nach-
lass zurückgreifen, zum dem er als Mitherausgeber der Marx-Engels-Gesamtausgabe
(MEGA2)Zuganghat.
13 DazugehörtauchdieDiskussionder»asiatischenProduktionsweise«.Goldbergsiehtdie-
sealsBelegefürMarx’Historizismus:»Marxthoughtof ›Asiatic‹ statesashistoricallyun-
developed,evenashisprojectionsandpredictionswere fueledbyahistorical teleology
underpinnedbyWesternchauvinism:EuropeanstatesofferedMarx themodelofhisto-
ricalprogress« (Goldberg2002: 51). Tatsächlich sindvorallemfrüheSchriftenvonMarx
zur»asiatischenProduktionsweise«undzum»orientalischenDespotismus«deutlichvon
historizistischenund letztlich rassistischenAnnahmengeprägt. Anderson interpretiert
Marx’AnnahmeeinerasiatischenProduktionsweisejedochgeradealsBruchmitderAn-
nahmeeinerunilinearenhistorischenStufenentwicklung(Anderson2010:155-195).
Im Namen der Emanzipation
Antimuslimischer Rassismus in Österreich
- Titel
- Im Namen der Emanzipation
- Untertitel
- Antimuslimischer Rassismus in Österreich
- Autor
- Benjamin Opratko
- Verlag
- transcript Verlag
- Ort
- Bielefeld
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4982-0
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 366
- Schlagwörter
- Rassismus, Österreich, Islam, Moslem, Fremdenfeindlichkeit, Religion
- Kategorien
- Weiteres Belletristik