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sowohl der Krise des ›differentiellenRassismus‹ als auch die des gegen ihn
artikuliertenAntirassismusan« (Pieperetal.2011: 195).Nur inAusnahmefäl-
lenwerden statischeGrenzen zwischen ›ihrer‹muslimischen und ›unserer‹
nicht-muslimischenKultur gezogen.Meistwird dieGrenze vielmehr dyna-
misiert undhistorisiert.Darauf hat SerhatKarakayalı besonders hellsichtig
anlässlichderSarrazin-DebatteinDeutschlandaufmerksamgemacht:»Wäh-
rendimklassischorientalistischenDiskursdie ›Anderen‹durcheineunüber-
brückbarekulturelleGrenzevomWestengetrenntwaren, ist imRahmenei-
nes liberal-emanzipativkodiertenOrientalismusdas›Andere‹verzeitlicht.Es
tritt auf als gesellschaftlicheWiederkehr desVerdrängten« (Karakayalı 2011:
100).Das »Verdrängte« ist fürKarakayalı in erster LiniederAntisemitismus
undderNationalsozialismus,die als inEuropaüberwundengeltenundnun
imantimuslimischenDiskursals»islamischerAntisemitismus«bzw.»Islam-
faschismus«wieder auftauchen.Tatsächlichweist auchder hier untersuch-
teDiskursmechanismusderTemporalisierungdieseKennzeichenauf.Nicht
nur inHinblick auf FaschismusundAntisemitismus, sondernauchundbe-
sonders in geschlechter- und sexualpolitischen Fragen.Was bei Karakayalı
imBegriff derVerzeitlichungangeschnittenwird,muss jedochnochweiter-
verfolgtundalsFunktionsweiseeineshistorizistischenRassismusanalysiert
werden. Der Verweis auf das »Verdrängte« ist hier von besonderer Bedeu-
tung.Wie Gabriele Dietze unter Verweis aufWendy Brown (die wiederum
aufFreudsTheoremderVerdrängungBezugnimmt) zusammenfasst, zeich-
net sich eine der kritischen Rassismustheorie verpflichtete Perspektive da-
durchaus,dassderGrund fürAusschlusspraxen »nicht im fremdengefähr-
lichenAußenzu suchen [ist], sondern imprekären Innen,das eigeneUnsi-
cherheitenmitAbschottungs-undAbwehrnarrativenverbindet«(Dietze2017:
21;vgl.Brown2010).IndiesemSinnesollnungefragtwerden:Welche»Unsi-
cherheiten«werdeninderTemporalisierungderFigurdes/dermuslimischen
Anderenverarbeitetundartikuliert?
UmdieserFragenachzugehen,sindwiederumeinigeBemerkungenzum
methodischenVorgehenvonnöten.Wiedie FormulierungenvonDietzeund
Karakayalı nahelegen, verlässt die Analyse an dieser Stelle die Ebene der
manifesten Aussagen, die durch die Interviews zusammengetragenwurde.
Wennder rassistischenVeranderung vomMuslimInnenVerdrängtes (Kara-
kayalı 2011: 99-100),Latentes (Karakayalı 2011: 107-108),Abgewehrtes (Dietze
2017: 20-21) oder Abjektes (Tyler 2013) zugrunde liegt, also Elemente des
Sozialen, die nicht der Logik der einfachen Kausalität gehorchen, sondern
denMechanismen des Unbewussten,muss auch dieMethode ihrer Erfor-
Im Namen der Emanzipation
Antimuslimischer Rassismus in Österreich
- Titel
- Im Namen der Emanzipation
- Untertitel
- Antimuslimischer Rassismus in Österreich
- Autor
- Benjamin Opratko
- Verlag
- transcript Verlag
- Ort
- Bielefeld
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4982-0
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 366
- Schlagwörter
- Rassismus, Österreich, Islam, Moslem, Fremdenfeindlichkeit, Religion
- Kategorien
- Weiteres Belletristik