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7 VonderRassismusanalysezurKonjunkturanalyse 275
Das ist nicht zuletzt deshalbwichtig,weil die begründete Vermutungnahe
liegt, dass gerade die Entkoppelung der hier identifizierten Elementen des
antimuslimischenRassismus von farbcodiertenZuschreibungenwie »weiß«
esAkteurInnen,die sich selbst als nicht- oder antirassistisch positionieren,
ermöglichtanderReproduktiondieserElementeteilzuhaben.Andersgesagt:
Erst die Tatsache, dass es sich gegenüberMuslimInnennicht alsweiß iden-
tifizeren muss, ermöglicht es dem liberalen nicht-muslimischen Subjekt,
symbolisch,affektivundmateriell indieReproduktiondesantimuslimischen
Rassismuszu investieren.
Das zweite Problem des Homonationalismus-Ansatzes ergibt sich aus
dessengesellschaftstheoretischenAnnahmenunddenFragen,die aufderen
Grundlagenichtgestelltwerden.JasbirPuar (2007)entwickelt ihrentheoreti-
schenAnsatzinAuseinandersetzungmitdenArbeitenvonGillesDeleuzeund
FélixGuattari sowie jüngerenAnsätzendes »NewMaterialism«,diedenBe-
griffder»Assemblage«insZentrumrücken(vgl.Dolphijn/Tuin2012;DeLanda
2016).AlsAssemblagewirddas fluideZusammenspiel vonDingen–Maschi-
nen, Körpern, Zeichen, Bewegungen, Intensitäten, Affekten – bezeichnet,
die sich situativ zu Figuren auftürmen oder in Konstellationen verdichten
können,wie in der Figur des gefährlichen, abnorm sexualisiertenMuslims
oder der Konstellation des Homonationalismus. Das assemblagetheoreti-
sche Vorgehen erweist sich besonders dort als produktiv, wo es kulturelle
Phänomene, Zuschreibungen und Praktiken nicht als stabile Kategorien,
sondern dynamisches, kontingentes Aufeinandertreffen unterschiedlichs-
ter Kräfte beschreibt. Es verhindert jedoch qua Problematik jene Fragen
zu formulieren, die mit Stuart Hall zu Beginn dieses Abschnitts gestellt
wurden. In der theoretischen Logik Puars und der an sie anschließenden
AutorInnenkanndieFrage,welcheungelöstenKonfliktebzw.Widersprüche
inderKonstruktioneinesrassistischenMythosverarbeitetwerden,garnicht
auftauchen,weil die ontologischeGrundannahmen,diederFragezugrunde
Tayeb 2016: 65) sowie des Balkans als Projektionsfläche deutscher Rassismen (El-Tayeb
2016: 173-177). Zuschreibungen als »Nicht-(richtiges-)Deutschsein«, so El-Tayeb, »kann,
abermussnichtzwingend, ›nichtweiß‹oder ›nichtweiß‹meinen«(El-Tayeb2016:65).Un-
glücklicherweiseschließtEl-TayebdiedadurchaufgestoßeneTürehinzueinemanalytisch
weitenRassismusbegriffgleichwieder,indemsiesichdieproblematischeUnterscheidung
AlyosxaTudorszwischen»Rassismus«und»Migratismus«zueigenmacht (ebd.,Fn5;vgl.
Tudor2013).DiekonzeptionelleBindungvon ›Rassismus‹ an ›Rasse‹wirdvonTudorzum
Dogmaerklärt, einRassismusohneRassenaxiomatisch ausgeschlossenunddieRassis-
mustheorieaufdenCriticalWhiteness-Ansatzreduziert.
Im Namen der Emanzipation
Antimuslimischer Rassismus in Österreich
- Titel
- Im Namen der Emanzipation
- Untertitel
- Antimuslimischer Rassismus in Österreich
- Autor
- Benjamin Opratko
- Verlag
- transcript Verlag
- Ort
- Bielefeld
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4982-0
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 366
- Schlagwörter
- Rassismus, Österreich, Islam, Moslem, Fremdenfeindlichkeit, Religion
- Kategorien
- Weiteres Belletristik