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7 VonderRassismusanalysezurKonjunkturanalyse 283
überwundenen Vorgeschichte Der darin wirksame Diskursmechanismus
wird bereits von Rommelspacher angesprochen: Die zugeschriebenen Ge-
schlechterverhältnisseder ›Anderen‹würden»aufeineZeitschieneprojiziert
und die Anderen in einer widersprüchlichen Bewegung sowohl gleich als
auch anders gemacht. […] Sie sind nicht einfach anderemit ihren eigenen
Relevanzstrukturen, sondernsie sind imWesentlichengleich,nurebennoch
nichtganz soweit.« (Rommelspacher 2009a: 398-399;Herv. i.O.).Wir können
diesenZusammenhangalsMythos imobenbeschriebenSinneverstehen:Als
Bearbeitung,VerschiebungundNarrativierungungelöster gesellschaftlicher
KonflikteundWidersprüche.»Mankönnteauchsagen«,soDietze (2009: 37),
»die ›Kopftuchfrau‹ ist einapotropäisches (angstabwehrendes)Zeichen fühl-
barer,abernicht anerkannter,westlicherEmanzipationsdefizite«. Indiesem
Sinnewird eine Funktion des antimuslimischen Rassismus– genauer: der
historizistisch-rassistischenKonstruktiondes/dermuslimischenAnderenals
anachronistischesSubjekt–alsVerarbeitungsformeinesspezifischenWider-
spruchssichtbar,derdieErfahrungswelt liberalerorganischer Intellektueller
prägt. Die Veranderung von MuslimInnen dient als Sinngebungsinstanz
für eine Konjunktur, in der Geschlechtergerechtigkeit und sexuelle Freiheit
nichtnuralsAnspruchformuliert, sondernalsTeildereigenen,überlegenen
kulturellen Identität behauptetwerden und zugleich sexistischeGewalt- und
Ungleichheitsverhältnisse weiter bestehen. Die ›politische Ökonomie‹ des
antimuslimischen Rassismus wird demnach nicht im Imperialismus des
›KriegsgegendenTerror‹ (wiebei JasbirPuar)oder inderFeminisierungund
Migrantisierung von Care- und Pflegearbeit (wie bei Sara Farris) verortet.
Vielmehr muss die Geschlechterdimension des neoliberalen Kapitalismus
(und dessen Krise) als materielle Grundlage gegenwärtiger Artikulationen
des antimuslimischen Rassismus in den Bick genommenwerden (vgl. Ha-
jek/Opratko 2016). Birgit Rommelspacher fasst diesen Prozess prägnant
zusammen:
»IndiesenDiskursen liefertdiemuslimischeFraueineFolie, vorderenHin-
tergrunddieEmanzipationderwestlichenFrauumsohellererstrahlenkann.
Die Schattenseitenwestlicher Emanzipationmit ihren spezifischenZwän-
genundneuenFormenvonGewaltkönnenso leichtübersehenunddieRi-
sikendesEmanzipationsprozessesüberspieltwerden.Ausschlaggebendfür
dieBewertungdieserEmanzipationistnunnichtmehrdieUngleichheitzwi-
schenMännernundFrauen, sondernderAbstandzwischenderwestlichen
undder islamischenFrau.«(Rommelspacher2009c:38)
Im Namen der Emanzipation
Antimuslimischer Rassismus in Österreich
- Titel
- Im Namen der Emanzipation
- Untertitel
- Antimuslimischer Rassismus in Österreich
- Autor
- Benjamin Opratko
- Verlag
- transcript Verlag
- Ort
- Bielefeld
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4982-0
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 366
- Schlagwörter
- Rassismus, Österreich, Islam, Moslem, Fremdenfeindlichkeit, Religion
- Kategorien
- Weiteres Belletristik