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298 ImNamenderEmanzipation
sischen Imperialismus stellt der historizistische Rassismus somit zugleich
temporaleund räumlicheDistanzher: »Geographical difference across space
is figured as a historical difference across time« (McClintock 1995: 40;Herv.
i.O.). ImantimuslimischenRassismusderGegenwart sindwir auf eine an-
dereKonfiguration gestoßen, die ich imAnschluss anMcClintock als inver-
tiertenanachronistischenRaumbezeichne.Erverknüpft temporaleDistanzmit
räumlicherNähe und generiert eine spezifische dämonisierendeDynamik.
DenndadurchwerdenMuslimInnen,dieimInnerenderGesellschaft–›unter
uns‹ – leben, nicht nur zuObjektenwohlmeinender Integrationspädagogik
(um sie in ›unsere‹ Gegenwart zu integrieren), sondern auch als Gefährde-
rInnender (zeitlichen)Ordnungkonturiert.DiskursiverKnotenpunktdieser
DynamikistdieMigration.WennKörpersichüberdieGrenzenbewegen,die
zwischenautochronerundallochronerZeitordnung,zwischenchronistischen
undanachronistischenRäumengezogenwerden, invertieren sie die globale
undnationaleZeitordnung.Oder,wieeseinerderbefragtenJournalistInnen
formuliert:»jetztkommtdasganzewieder!«(J1m).Esistdahernichtverwun-
derlich,dasshistorizistisch-antimuslimischeDiskurse zurBegründungund
nachträglichenLegitimierungstaatlicherPolitikenherangezogenwerden,die
Migration unterbindenwollen. Sie erlauben es insbesondere links-liberalen
AkteurInnen,repressiveMaßnahmenzuunterstützen,ohnedadurchdiesub-
jektiveSelbstverortungalsnicht-rassistisch inFragezustellen. ImGegenteil
wird die Einschränkung vonBewegungsfreiheit als gesellschaftliche Selbst-
verteidigung zumSchutz jenerErrungenschaftendargestellt, diemanauch
vonderpolitischenRechtenbedroht sieht.
In Österreich hatte bereits Anfang der 2000er Jahre die Integrations-
und Migrationspolitik der damaligen Bundesregierung, unter der ersten
ÖVP-FPÖ-Koalition (2000-2005), Anleihen an historizistisch-rassistischen
Begründungszusammenhängengenommen.Daraufwies jüngst Paul Schei-
belhofer ineinerStudiezuMännlichkeitskonstruktionen imMigrationskon-
texthin.Er liestdieReformdesFremdenrechts2002sowiedieNovellierung
des österreichischen Staatsbürgerschaftsgesetzes 2005 als Herstellung
»fremderMännlichkeit« (Scheibelhofer 2011, 2018). ImRahmender Reform
2002wurde eine ›Integrationsvereinbarung‹ eingeführt, die Zuwandernder
aus Nicht-EU-Ländern zum Besuch eines Kurses verpflichtete, »in dem
diese nicht nur Deutsch, sondern auch ›europäische und demokratische
Grundwerte‹ (§16Abs.1) lernenmüssen«(Scheibelhofer2018:75).2006wurde
auch in einem neuen Staatsbürgerschaftstest die Zustimmung zur imagi-
nierten moralischen Gemeinschaft Österreichs abgefragt und etwa darauf
Im Namen der Emanzipation
Antimuslimischer Rassismus in Österreich
- Titel
- Im Namen der Emanzipation
- Untertitel
- Antimuslimischer Rassismus in Österreich
- Autor
- Benjamin Opratko
- Verlag
- transcript Verlag
- Ort
- Bielefeld
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4982-0
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 366
- Schlagwörter
- Rassismus, Österreich, Islam, Moslem, Fremdenfeindlichkeit, Religion
- Kategorien
- Weiteres Belletristik