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8 Rassismus imNamenderEmanzipation 319
überwiegend inden 1970er Jahrengezogenwurde. ›1968‹, die ›Kreisky-Zeit‹,
die ›Reform-Ära‹ stehen in diesemDiskurs für ›Lernerfahrungen‹ und ›Rei-
feprozesse‹, die diemuslimischenAnderen erst noch vor sichhätten.Dabei
verschränkensichautobiografischeundzeithistorischeNarrationenso,dass
die eigene Personmit ›der Gesellschaft‹ zusammenfällt. Überwundenwur-
de demnach in den 1970er Jahren Sexismus undHomophobie, Autoritaris-
mus und Antisemitismus ebenso sowie starre Sozialstrukturen.MuslimIn-
nenwerden temporalisiert, d.h. sie werden dargestellt, als wären sie nicht
Teil der eigenenGegenwart,weil sie eine universell gesetzte Sequenzparti-
kularer Lernprozessenochnicht durchlaufenhätten.DiesesMuster histori-
zistisch-rassistischer Abwertung vonMuslimInnen erlaubt es gerade jenen
AkteurInnen,diesichals linksoder liberalpositionieren,bewusstoderunbe-
wusstdenantimuslimischenRassismusalsgesellschaftlichesHegemoniever-
hältniszureproduzieren.DieKämpfeumBefreiungundGleichheit,die sich
mit derChiffre ›1968‹ verbinden,werden zugleich affirmiert, als erfolgreich
abgeschlossenbehandeltundso indasSelbstbild integriert,dasssiezumnie
ganz erreichbarenMaßstab fürMuslimInnen erhobenwerden.Diese Form
der rassistischenVeranderungerlaubtdiediskursiveAbwertungundDämo-
nisierungvonMuslimInnenimRahmeneinerErzählungüberdieeigeneGe-
sellschaftalsErrungenschaftgewonnenerKämpfeundErgebnisschmerzhaf-
terAnstrengung.
Esreicht jedochnicht,dabei stehenzubleiben,rassistischeVeranderung
zu identifizieren und skandalisieren.Wolfgang Fritz Haug formulierte vor
rundzwanzig Jahreneinenhegemonietheoretischen»kategorische[n] Impe-
rativ« für die Rassismusforschung: »Begnüge dich nie mit der Entlarvung
derMachtstrategien des Gegners, sondern stelle ihn vom Standpunkt sei-
nerWidersprüche aus dar:Wasmuss er zukleistern?Womuss er die Un-
terworfenen für ihreUnterwerfunggewinnen?« (Haug 2000: 94).Diesmar-
kiert den Umschlagpunkt von der Rassismusanalyse zur Konjunkturanaly-
se.Mit Stuart Hall wurde deshalb in Kapitel 7 danach gefragt, welche ge-
sellschaftlichenWidersprücheoderKonflikte inderhistorizistischenTempo-
ralisierung vonMuslimInnen verarbeitet werden.Diese abschließendeUn-
tersuchung führte uns zur Analyse einer ›imaginärenWertegemeinschaft‹,
indergelungeneEmanzipation,gerechteVerteilungunddemokratischeGe-
sellschaftnichtals zuerstrebendesGlück, sondernals zuverteidigenderBe-
sitzstandder nicht-muslimischenGemeinschaft erscheinen.Der historizis-
tischeKern diesermythischenErzählung schlägt sich,wie in den abschlie-
ßendenTeilengezeigt (Kapitel 7.4), auch inkonkretenpolitischenDiskrimi-
Im Namen der Emanzipation
Antimuslimischer Rassismus in Österreich
- Titel
- Im Namen der Emanzipation
- Untertitel
- Antimuslimischer Rassismus in Österreich
- Autor
- Benjamin Opratko
- Verlag
- transcript Verlag
- Ort
- Bielefeld
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4982-0
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 366
- Schlagwörter
- Rassismus, Österreich, Islam, Moslem, Fremdenfeindlichkeit, Religion
- Kategorien
- Weiteres Belletristik