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Geschlechter. Wovon lebten sie? Es ist schwer, es schwarz auf weiß
auszudrücken und getrost nach Hause zu tragen: Unter vielen anderen
standen eine russische Gräfin und – davon unabhängig – ihr Gatte mit
den beiden Pensionsbewohnern in einem Zusammenhang, den man
intim nennen darf. So bedrohte eben der reizvolle Wolfgang Sylvain
den Grafen, sein weniger reizvoller, aber umso muskulöserer Freund
die Gräfin, mit Verrat ihrer mutuellen Beziehungen.«66
Weiters ergeben die spärlichen Briefschaften, zusammengelesen, daß
Anton Kuh in seinen frühen Zwanzigern in einer Clique im Café Ra-
detzky und im Café Hungaria hinter dem Haupt-Zollamt verkehrt, be-
vor er Mitte 1916 ins »Central« (Herrengasse 14, Ecke Strauchgasse) und
dort in den Altenberg-Kreis wechselt, »wo der abtrünnige Journalismus
sein Dach [hat], der Empörungswille junger Theater- und Musikrezen-
senten«.67 Neben Prager Freunden und Bekannten
– Franz Werfel, Egon
Erwin Kisch und Otto Pick arbeiten im Wiener Kriegspressequartier,
Ernst Polak und Milena Polak (geb. Jensenská) leben seit 1918 in Wien
–
verkehren dort Franz Blei (ewig junger »Weltmann des Geistes«68),
Alfred Polgar (der »Marquis des Feuilletons«69), der »spaßhafte Kultur-
historiker« Egon Friedell (»Ein Klassenprimus, der den schlimmen
Buben spielt. Mit dem respektlosen Ulk der Schülerzeitschrift frönt er
den Lehrerinstinkten«70), Otto Soyka (»Tat-Romancier, Pokerspieler
aus vitalstem Herausforderungstrieb ans Schicksal, blaß wie die schlecht-
erfundenen Namen seiner Helden«71), Otfried Krzyzanowski (»der
verbettelte Dichter […], schlottrig, knochig, häßlich, aber gebildet und
edel«72), der Versicherungsmathematiker und Romancier Leo Perutz,
Eugen Lazar, der Chefredakteur der »Wiener Allgemeinen Zeitung«,
Adolf Josef Storfer, Journalist und Psychoanalytiker, Gründer und
nachmals geschäftsführender Direktor des Internationalen Psycho-
analytischen Verlags, Arne Laurin, der nach malige Chefredakteur der
»Prager Presse«, der von Otto Weininger imprägnierte Philosoph Gu-
stav Grüner sowie sein Bruder, der Lyriker Franz Grüner, der versiffte
Journalist Egon Dietrichstein, der Talkum-Industrielle, Bohemien und
Dichter sowie Interpret anzüglicher Chansons Franz Elbogen.
Anton Kuh über die Atmosphäre des in einem ehemaligen Börse-
Gebäude beheimateten und mit einem Arkaden- und Säulenhof ausge-
statteten Lokals: »Das Allerheiligste lag rückwärts und nannte sich
Kuppelsaal. Nicht deshalb allein … sondern weil Rauch und Lärm
dieses Vierecks ins Grenzenlose stiegen, zu einer Höhe, wo eine Kuppel
kaum mehr sichtbar war. Aber diese Kapellenhoheit, diese Unüber-
dachtheit des Qualms bildeten die Eigenart des Raumes. / In den ande-
ren Trakten saß der Sozialismus, der Panslawismus, der k. k. Hoch-
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Buch Anton Kuh - Biographie"
Anton Kuh
Biographie
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Anton Kuh
- Untertitel
- Biographie
- Autor
- Walter Schübler
- Verlag
- Wallstein Verlag
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3189-1
- Abmessungen
- 13.8 x 22.2 cm
- Seiten
- 576
- Kategorie
- Biographien