Seite - 46 - in Anton Kuh - Biographie
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sich selber immer wieder auf die Schaufel nimmt, verwahrt er sich da-
gegen, von einem Publikum, das sich dadurch vom Ernstnehmen ent-
bunden glaubt, das vor Betretenheit in die bequeme Haltung »Der olle
Aphorismen-Onkel! Er lacht sich ja selber aus!« flüchtet, als »amü-
sant« qualifiziert zu werden. Damit vergällt man ihm das Podium –
auch Stegreif-Redner haben ihre Schmerzen.18 Und er weiß Max Brod
Dank, »der sich einmal in einem entzückend-mitfühlenden Aufsatz die
Leute aufs Korn nahm, so da in ungenannten und doch bekannten
Eitelkeiten verletzt, und unwillig über den Haufen geredet, die Höhe
der Anregung und Informiertheit, die ihnen mein Vortrag gegeben,
dazu mißbrauchen, mir nachher herablassend den Zettel ›amüsant‹
anzukleben!«.19
Kuh bietet beides, Witz und Wahrheit, Laune und Ernst
– bisweilen
schlägt er sogar ganz nach der Seite des Ernsts aus. Der Rezensent des
»Montagsblatts aus Böhmen« vermutet, daß »Der alte Goethe und der
junge Schopenhauer« für einen Teil der zahlreichen Zuhörer eine Ent-
täuschung gewesen sei: »Dieser Teil hatte nämlich erwartet, daß Anton
Kuh als eine Art geistiger Artist auf dem Drahtseil teils halsbrecheri-
sche Paradoxenkunststücke vorführen, die Zuhörer mit den bunten,
glitzernden Koriandoli seiner Einfälle überschütten und zum Schluß
etwa mit einem tollkühnen Gedankensaltomortale mitten ins Publikum
hineinspringen und sich lachend verbeugen werde. Dieser Teil der
Zuhörer kam nicht auf seine Kosten. Der andere Teil jedoch […] war
aufs angenehmste überrascht, in Kuh einen vorzüglichen, wahrhaft frei
sprechenden Redner […] kennenzulernen und einen klugen, ernsten,
scharfen, tiefschürfenden Denker, einen Nachspürer fremder Gedan-
kengänge, einen Charakterforscher.«20
Ernster Tenor grundiert schon jene Vorträge Kuhs, wo er bekenne-
risch auf dem Podium steht. Was dem Animo des Vortragenden keinen
Abbruch tut, im Gegenteil: »Nichts ist, handwerklich gesehen, billiger
als Gesinnung. Ohne sie muß der Redner Anmut, Einfall, Witz und
Eigenart beweisen, mit ihr braucht er nichts als eine starke Stimme. Sie
ist die Siegfriedfront, in die er sich aus einer Indisponiertheit am leich-
testen zurückzieht.«21
Wenn er etwa, wie er es häufig tut, Wedekind als Anlaß nimmt, über
die bürgerliche Sexualmoral und doppelte Buchführung in Sachen Moral
vom Leder zu ziehen. Oder unter dem Titel »Die Tragik des Juden-
tums« seine Anamnese der jüdischen Moderne expliziert. Da registriert
der anonyme Rezensent des »Prager Tagblatts«, daß diesmal »kein dem
Spiel mit Worten hingegebener Sprach-Artist auf dem Podium [stand],
sondern einer, den man von Augenblick zu Augenblick von der Wucht
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Buch Anton Kuh - Biographie"
Anton Kuh
Biographie
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Anton Kuh
- Untertitel
- Biographie
- Autor
- Walter Schübler
- Verlag
- Wallstein Verlag
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3189-1
- Abmessungen
- 13.8 x 22.2 cm
- Seiten
- 576
- Kategorie
- Biographien