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eines intensiven Erlebnisses seiner Gedanken übermannt sah«, und
spürt »hinter dem ironischen Flimmern […] die reinere Flamme des
Bekenntnisses«.22
Selbst bei dem unter humoristisch-parodistischen Auspizien stehen-
den Vortrag »Warum haben wir kein Geld?«, einer sonntäglichen Mati-
nee im Theater in der Josefstadt – die Anton Kuh »in Stellvertretung
Max Pallenbergs« bestreitet23, selbst in seinem ureigenen Element als
von Wien über Prag bis Berlin bekannter Pionier und Prophet der Pleite
beläßt er es nicht bei einer lustigen Witzelei über die allgemeine Malaise
oder eine Parodie auf den wohl versprochenen, aber wohlweislich nicht
gehaltenen Amstelbank-Vortrag Max Pallenbergs, sondern entwirft »mit
der Gründlichkeit eines Wahrheitsfanatikers ein selbst die Einzelheiten
scharf zeichnendes Bild des sterbenden Liberalismus und der Selbst-
zerstörung der kapitalistischen Welt«, wie ihm die ihm ganz und gar
nicht gewogene »Reichspost« attestiert, die nicht ansteht, ihn, den sie
sonst regelmäßig antisemitisch anpöbelt, »einen der vorzüglichsten
unter den geistigen Rednern unserer Zeit« zu nennen.24
Erst recht bei den dezidiert unter ein politisches Signum gestellten
Vorträgen der dreißiger Jahre. Heimito Doderer, langjähriger rezensie-
render Besucher Kuhscher Vorträge, will einen angesichts der sich zu-
spitzenden politischen Lage zunehmend ernsten Kuh ausgemacht haben,
der sich nicht, wie so oft, vom Hundertsten ins Tausendste verliert,
sondern tatsächlich beim Thema bleibt. Als Kuh in einer Sonntags-
matinee am 13. März 1932 im Theater in der Josefstadt über »Goethe
und die deutsche Reichspräsidentenwahl« und also über den deutschen
Ungeist spricht, sei das Publikum »nicht auf die Kosten seiner Lach-
lust« gekommen, es sei Kuh mehr darum zu tun gewesen, »seine Feinde
zu belehren, als den Beifall seiner Freunde zu ernten«.25 Daß einige ent-
täuscht nach Hause gehen würden, die »Kuhisten« nämlich, das hatte
Anton Kuh bereits kurz nach Beginn seines Vortrags prophezeit. Und
Piero Rismondo, der diese Bemerkung in seiner Rezension festhält,
weiter: »Nein, das war auch nicht der streichelustige Lausbub, dessen
flirrende und kitzelnd-revolutionäre Lozzelachs zu hören man gekom-
men war. Gleichwohl spielte Kuh vielleicht den satanischesten Streich
seines Lebens: er warf coram publico die Schellenkappe weit von sich.
Unverhüllt kam der Ernst zum Vorschein, blutiger Ernst.«26
Gutes Gespür beweist Berthold Viertel, als er sich ganz zu Beginn der
Karriere des Stegreif-Redners zweierlei Publikum vorstellen kann, das
Kuh anzieht: »die revolutionäre Jugend, der er voraustoben und sie dabei
entflammen könnte – und die wohlgesittete, konservative Bürgerlich-
keit, die einen Anton Kuh, gerade wenn sie geistiges Niveau hat, jederzeit
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Buch Anton Kuh - Biographie"
Anton Kuh
Biographie
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Anton Kuh
- Untertitel
- Biographie
- Autor
- Walter Schübler
- Verlag
- Wallstein Verlag
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3189-1
- Abmessungen
- 13.8 x 22.2 cm
- Seiten
- 576
- Kategorie
- Biographien