Seite - 53 - in Anton Kuh - Biographie
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Tag und die Stunde, manchmal sogar der Abend zuträgt, seinen Inhalt
und wird von ihm mit einer oft geradezu genialen Assimilation an den
Augenblick, an seine eigene Stimmung und an die, die er aus den vor
ihm sitzenden Zuhörern sich entgegenwehen spürt, aus dem Stegreif
neu geformt, mit neuen Pointen und glitzernden Facetten versehen, so
daß auch oft Gehörtes neu wird.«47
Was von den Titeln der Kuhschen Stegreif-Reden zu halten ist, wissen
seine Zeitgenossen: »Das im Augenblick geborene Werk jedoch ver-
achtet den Titel jedesmal
– auch in dem Falle, daß Kuh einmal wirklich
den angekündigten Gegenstand traktieren sollte.«48 »Warum haben wir
kein Geld?« (Sonntag, 15. November 1931, 11.30 Uhr, Theater in der
Josefstadt) wird drei Tage davor im »Neuen Wiener Journal« noch an-
gekündigt als »Meine Einlage bei der Amstelbank«.49 »Die Weltpest
oder Die Diktatur der Postbeamten« (Brünn, Samstag, 20. Mai 1933,
Dopž-Saal) als »Der Geist des Mittelalters«50 und als »Der Geist des
Mittelalters. (Wovon man nicht sprechen darf!)«.51 In Prag wird der
Vortrag »Die Weltpest oder Die Diktatur der Postbeamten« (Mittwoch,
24. Mai 1933, 8 Uhr, Saal der Städtischen Bibliothek) vier Tage zuvor
unter »Weltpest oder Von Asch über Wien nach Berlin und zurück«52
angekündigt. Der vom Verein für internationale Kulturarbeit veranstal-
tete Preßburger Vortrag wird ursprünglich angekündigt als »Hamlet im
Sanatorium«, in einem gestalteten Inserat am Tag der Veranstaltung dann
als »Hamlet und Faust oder das Genie und der Bürger«.53 »Die jüdischen
Reichen« (Prag, Donnerstag, 12. Oktober 1922, 8 Uhr abends, Großer
Uraniasaal) wird in der »Bohemia« angekündigt als »Der Jude und der
Deutsche«54, im »Prager Tagblatt« als »Juden und Deutsche«.55 »Wien –
Prag oder: Die Diktatur der Bureaukratie« (Prag, Freitag, 17. April 1925,
8 Uhr, Uraniasaal) war ursprünglich angekündigt unter dem Titel »Prag,
Erlebnisse und Erkenntnisse«56, dann unter »Wien – Prag (Ein kultur-
politischer Vergleich)«.57 Titeländerungen, die wirken wie bloße Akzent-
verschiebungen – aber Anton Kuh kommt ohnehin immer vom Hun-
dertsten ins Tausendste.
Auch wenn es oftmals völlig nebensächlich sein mag, worüber Kuh
spricht – sein »rednerisches Gebiet erstreckt sich von Stendhal, Sexus,
Voltaire bis zum Heurigen und der Prater-›Hutschen‹«.58 Wiederholt
ist Wedekind, der Bürgerschreck und Sexualrevolutionär, Thema. Auf
den Spuren Otto Gross’ wandelnd, widmet sich Kuh unter Titeln wie
»Die sexuelle Revolution«, »Die Erotik des Bürgers« oder »Dilettanten
der Liebe« auch des öfteren seinem Leib- und Magenthema, beharrlich
auch seinen im Großessay »Juden und Deutsche« vorgetragenen pro-
vokanten Thesen. Er reagiert auf aktuelle Vorfälle. Polemisiert etwa
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Buch Anton Kuh - Biographie"
Anton Kuh
Biographie
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Anton Kuh
- Untertitel
- Biographie
- Autor
- Walter Schübler
- Verlag
- Wallstein Verlag
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3189-1
- Abmessungen
- 13.8 x 22.2 cm
- Seiten
- 576
- Kategorie
- Biographien