Seite - 67 - in Anton Kuh - Biographie
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Rufen (in Strophe und Antistrophe geteilt): ›Hoch die Demokratie!‹ –
›Hooooch!‹ – ›Nidda mit die Burschoasen!‹ – ›Nidda!‹ – ›Hoch die
Republik!‹Â
– ›Hooooch!‹Â
– ›Nidda mit die Adelll!‹Â
– ›Nidda!‹Â
– ›Hoch
das deutsche Reich!‹Â
– ›Hooooch!‹Â
– ›Nidda mit die Hoch!‹Â
– ›Nidda!‹Â
/
Ich hatte Lust zu rufen: ›Hoch die Palatschinken!‹ (›Hooooch!‹), ›Nie-
der mit den Tatschkerln!‹ (›Nidda!‹), denn, bei Gott und wenn mich
auch der freie oder nationale Geist steinigt, ich glaub’ noch immer, daß
es bei uns um Palatschinken und Tatschkerln geht. […] / Hoch die
Palatschinken! – Denn ich traue der Wiener ›Gasse‹ nicht über die
Gasse.«122Â
– Dazu pikiert Richard A. Bermann alias Arnold Höllriegel:
»An dem Tag, an dem das Rumpfparlament zusammentrat, um den
neuen Staat Deutschösterreich zu begründen, ging ich wie immer ins
›Café Central‹ in der Herrengasse. Es lag dem niederösterreichischen
Ständehaus gerade gegenüber, in dem die Sitzung des Parlamentes statt-
finden sollte. Die enorm hohe Caféhaushalle war an diesem Tag über-
füllt; an allen Tischen saßen aufgeregte Literaten und politisierten.
Plötzlich sprang ein junger Bohemien, Anton Kuh, auf einen der
Marmortische und begann, mit fliegender Stirnlocke und rollenden
Augen etwas zu verlesen, was offenbar ein politisches Manifest war. Ich
trat in den Kreis der Zuhörer und verstand den leidenschaftlich aus-
gebrachten Hochruf: ›Hoch Palatschinken!‹ / Herr Anton Kuh aus Prag
hatte sich die Stunde, in der über das Schicksal Österreichs entschieden
wurde, dazu ausgesucht, eine zweifellos höchst geistreiche Satire öffent-
lich vorzutragen. Er behauptete, es sei ganz gleichgültig, was man in
solchen aufgeregten Zeiten leben lasse, die Menge werde immer mit-
brüllen. So sei denn sein Ruf ›Hoch Palatschinken!‹ / Gerade in diesem
Augenblick entstand draußen auf der Straße eine Bewegung; der Präsi-
dent der Konstituierenden Nationalversammlung war auf den Balkon
des Ständehauses getreten, um den neuen Staat öffentlich zu proklamie-
ren. / Ich (dem die Palatschinken nicht allzu appetitlich vorgekommen
waren) trat hinaus vor die Tür des Kaffeehauses.«123
Nicht nur Anton Kuh, ein ganzer Berufsstand ist in jenen Tagen gut
beraten, der Wiener »Gasse« nicht über die Gasse zu trauen. Hans
Bleyer-Härtl, Jurist und im Ersten Weltkrieg Offizier der k. k. Gebirgs-
truppe: »Es war ein grauer November, da ging Deutsch-Österreichs
Kriegerehre unter in einer Flut von jüdischem Haß gegen alles Helden-
tum. […] Halbwüchsige Buben hatten da und dort einem General
die roten Lampassen heruntergerissen, die Sterne an den Kragen der
Offiziere mußten von Staats wegen heruntergenommen werden, und
Dr. Deutsch,124 der Mann, der sich nunmehr offen rühmte, durch Auf-
wiegelung und Verrat die Armee von hinten her ins Knie gezwungen zu
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Buch Anton Kuh - Biographie"
Anton Kuh
Biographie
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Anton Kuh
- Untertitel
- Biographie
- Autor
- Walter Schübler
- Verlag
- Wallstein Verlag
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3189-1
- Abmessungen
- 13.8 x 22.2 cm
- Seiten
- 576
- Kategorie
- Biographien