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der »Neuen Wiener Bühne«, Emil Geyer, der sich unter den Zuhörern
befand, habe Kuh als Darsteller des Alwa Schön in Wedekinds »Büchse
der Pandora« verpflichtet. Auch andere Wiener Bühnen hätten sich
bemüht, Anton Kuh zu engagieren.170
Kurz darauf, am 1. April 1919, tritt Kuh zwar an der »Neuen Wiener
Bühne« auf, allerdings nicht als Alwa Schön, sondern mit der einleiten-
den Conférence zur Aufführung von Wedekinds »Büchse der Pandora«,
die bis dahin nur in geschlossenen Vorstellungen zu sehen gewesen war.
Kuhs Vortrag, so die ihm nicht eben gewogene »Arbeiter-
Zeitung«, »hatte mehr Schwung, mehr überzeugende Kraft als
die ganze Aufführung«171 mit einem
– so übereinstimmend die
Kritiker
– fehlbesetzten »Fräulein Elisabeth Bergner« als Lulu.
Und Anton Kuh als Apologeten des unerbittlichen »Zu-Ende-
Denkers« Wedekind, der mit seiner bis »auf den Grund schau-
enden Psychologie« die »Kunstbedürfnisse und Lebenstalente«
des Civis communis, der von der Kunst verlange, »daß sie
rosa rote Farben ins Leben gießt, während es unter den Dielen
stinkt«, durch die »Offenbarung fesselloser zeitgenössischer Elementa-
rität« stärkstmöglich frustriert habe.172 Wieder wirkt Kuh, wenn er, »von
einem Scheinwerfer beleuchtet, zwischen düsteren Vorhängen den Dich-
ter und sein Werk« erläuternd, als spreche er in eigener Sache: »ein
Redner von blitzartiger Erkenntnis, der seine Gedankengänge heißlaufen
läßt; der sich gewissermaßen geistig auf die Zehenspitzen stellt, um
nach dem letzten Sinn zu langen.«173
Im März 1919 lanciert Benno Karpeles das ambitionierteste und per-
sonell höchstkarätig besetzte Tageszeitungsprojekt der Ersten Republik:
den »Neuen Tag«, eine journalistische Unternehmung ganz »›ohne
Einfluß der Besitzer, ohne Einmischung der Administration‹«, die wie
»Der Friede« freimütig bekennen werde, »wo Bekenntnis nottut«. Er
werde »im Dienste der Republik, der Demokratie, der sozialen Reform,
der Erneuerung unseres öffentlichen Lebens den Kampf führen«.174
Unter den Mitarbeitern der kurzlebigen Tageszeitung
– die letzte Num-
mer erscheint am 30. April 1920 –, die sich im wesentlichen aus jenen
des »Frieden« rekrutierten: Joseph Roth, Robert Musil, Franz Blei,
Stefan Grossmann, Egon Erwin Kisch, Rudolf Olden, Karl Tschuppik
als Chef vom Dienst und Politik-Redakteur, Alfred Polgar als Leiter
des Feuilletons, Arnold Höllriegel, Leo Perutz, Walther Rode, Egon
Wellesz, Joseph Schumpeter
… Anton Kuh hält sich von März bis Mai
1919 in dieser »besten Gesellschaft« auf, die indes auch anderwärts als
»Volksbelustigung« verpönten Formen der Unterhaltung Platz ein-
räumt, etwa einem hochkomischen Bericht Kuhs über ein Ringer-
Wien, Neue
Wiener Bühne,
1.4.1919,
16.30 Uhr:
Einleitende
Worte zur
Aufführung von
Frank Wedekinds
»Büchse der
Pandora«
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Buch Anton Kuh - Biographie"
Anton Kuh
Biographie
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Anton Kuh
- Untertitel
- Biographie
- Autor
- Walter Schübler
- Verlag
- Wallstein Verlag
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3189-1
- Abmessungen
- 13.8 x 22.2 cm
- Seiten
- 576
- Kategorie
- Biographien