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seine Proteste gegen die Kriegsgewalt unbekümmert unsere Namen ge-
setzt, so wären wir geradezu gezwungen gewesen, ihn zu desavouieren.«
Die »Arbeiter-Zeitung« durchschaute die Finte und rieb in der Aus-
gabe vom 21. Juni den Kollegen vom »Neuen Wiener Tagblatt« und der
»Neuen Freien Presse« süffisant unter die Nase, »wer diese Fackel an-
gezündet hat«: Karl Kraus.4
Dieser – je nachdem – perfiden oder ingeniösen Bloßstellung von
revolutionär sich gebärdenden ehemaligen Etappenhengsten, die sich
nun im Namen »weltbrüderlichen Protests« aktivistisch aufschwangen,
entgegnete Ehrenstein mit einer knappen, sachlichen Zuschrift an die
»Arbeiter-Zeitung«: Die Bemerkung, er habe nicht protestiert, als das
Schweigen geboten war, treffe auf ihn nicht zu. »Wahr ist, daß mehrere
meiner Proteste bereits im Herbst 1914, meine vor und um 1915 verfaß-
ten kriegsfeindlichen Bücher ›Der Mensch schreit‹ und ›Die rote Zeit‹
1916 und 1917 erschienen. Wahr ist, daß eine revolutionäre Sammlung
der mir von den mittelmächtlichen Zensuren verbotenen Arbeit ›Den
ermordeten Brüdern‹ nur in der Schweiz veröffentlicht werden konnte.«
Zusatz der »Arbeiter-Zeitung«: »Also war seine ›körperliche Sicher-
heit‹ durch seine Tätigkeit und die ihr folgenden Schikanen der Behör-
den sicherlich gefährdet.«5
Obwohl Kraus behauptet, er sei in der »allgemeinen Einschätzung des
politisch entzündeten Literatentums nicht von der Tatsächlichkeit der
Einzelfälle bedingt«,6 knöpft er sich im Aufsatz »Proteste« die sechs
Unterzeichner, deren »revolutionäre Regungen zu einer Nachmusterung
des Verhaltens im Krieg unbedingt herausfordern«,7 einen nach dem
andern vor. Er läßt Ehrenstein zwar nicht ungeschoren, aber glimpflich
davonkommen, auch wenn er ihm, in Anspielung auf den Text des
»Flugblatts«, infamerweise mehrfach Vorhaltungen macht, »daß seine
körperliche Sicherheit durch seine Tätigkeit nicht gefährdet war«,8 wischt
Sonnenscheins Klarstellung, daß er »während des ganzen Krieges wegen
seiner antikriegerischen Gesinnung als politisch verdächtig galt und des-
halb den ärgsten Drohungen und Gewaltmaßregeln der alten Regierung
ausgesetzt war9 und »gegen den Krieg, gegen das Militär, gegen die
Militärherrschaft und gegen die alten Regierungsformen sich sowohl
literarisch als auch praktisch und agitatorisch betätigt« habe,10 kurzer-
hand vom Tisch, diskreditiert die restlichen wegen ihres seiner Meinung
nach kläglichen Versagens während des Kriegs. Allein ihm, Kraus,
komme das Recht zu, nun gegen staatliche Gewalt zu protestieren, denn
einzig er habe während des Weltkriegs seine Stimme dagegen erhoben.11
Im Pamphlet »Gespenster« stellt Kraus seine Kritik in einen größeren
Rahmen und brandmarkt pauschal die Literaten als »intellektuelle Ur-
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Buch Anton Kuh - Biographie"
Anton Kuh
Biographie
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Anton Kuh
- Untertitel
- Biographie
- Autor
- Walter Schübler
- Verlag
- Wallstein Verlag
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3189-1
- Abmessungen
- 13.8 x 22.2 cm
- Seiten
- 576
- Kategorie
- Biographien