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Anton Kuh - Biographie
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106 »Humanität« und »Toleranz« oder, pragmatischer, des »Liberalismus« im 19. Jahrhundert oder der »Sozialdemokratie« bis hin zum patrioti- schen Überschwang, mit dem deutsche Juden in den Krieg zogen. Alles letztlich fatale Strategien der Selbstauflösung, und Kuh spitzt seine Warnung vor Assimilation drastisch zu. Die »tragischen Irrtümer« der Juden, »sich der fremden, ihnen im letzten Ende feindlichen Sache als der eigenen anzunehmen«20, nehmen ihm zufolge gerade beim letzt- genannten, beim nationalistischen, tragisch schuldhaften Charakter an, denn schon im Ersten Weltkrieg sei die Stoßrichtung der Deutschen für jene, die es sehen wollten, klar gewesen: gegen die Juden: »Hier war die letzte Siegesfolgerung: Entjudung. Ihr Krieg war ein Hakenkreuzzug.«21 Drittes Reaktionsmuster: Selbsthaß. Übersteigerte Selbstverleugnung ist auch die pathogene Strategie, die der jüdische Sohn gemäß Kuhs Anamnese der jüdischen Moderne verfolgt, um den Familienkäfig hinter sich zu lassen.* In Karl Kraus sieht Kuh den Typus des ewig pubertie- renden jüdischen Junggesellen am reinsten verkörpert, der, in panischer Abwehr getrieben von »jüdischem Selbsthaß«, in seinem verzweifelten Anrennen gegen die jüdische Familie doch paranoid auf alles Jüdische fixiert bleibt:22 »Der typischste Repräsentant des jüdischen Antisemi- tismus war auch sein typischster Patient.«23 In seinem Gegenentwurf zu den drei pathologischen Existenzformen des jüdischen Sohnes wendet Kuh die Diaspora-Erfahrung ins Positive um, in eine »Sendung der Juden«, deren Aufgabe darin bestehe, allem, »was Kultur, Sitte und Ordnung heißt«, fundamental zu opponieren24 und  – nietzscheanisch  – jene Instanz, die Machtstrukturen in Familie * Ungemein vehement kommentiert Anton Kuh ein »Beispiel für die Vater- verleugnung eines jüdischen Sohnes«, wie man es drastischer nicht ersinnen könne: Hans Herzl, der getaufte Sohn Theodor Herzls, spricht sich im April 1925 gegen den in der Balfour-Deklaration festgehaltenen Plan einer »jüdischen Nationalheimstätte« in Palästina aus, weil Juden in Osteuropa und Rußland keinerlei Verfolgung mehr ausgesetzt seien: »Ist es nicht ge- radezu eine Äsopfabel auf jenes schnoddrige, Welthorizont markierende und die Blutrichtung in sich verdrehende Parvenütum, in das bei der Sohnes- generation das ehrliche Judengefühl des Vaters umschlägt? So sehen sie ja alle aus, die Bandeljudenentsprossenen, die mittels des väterlichen Geldes sich bronzegesichtig, chargenfroh, auf den Sozialismus schimpfend und antisemitelnd in feudale Gesellschaft mischen und zur Sprachlosigkeit eines leider nicht immer gegenwärtigen Onkels Sami aus Proßnitz zum ersten Male mit dem Wort debütieren: ›Saujud‹. […] So sie alle, denen der Vater erst das Kulturfeld bereitete, auf dem sie jetzt gegen die neue Vätergeneration gewandt rufen dürfen: ›Pfui Jud!‹« (Anton Kuh: Vater und Sohn. In: Die Stunde, Jg. 3, Nr. 626, 9.4.1925, S. 7 [Nr. 712]).
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Anton Kuh Biographie
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Anton Kuh
Untertitel
Biographie
Autor
Walter Schübler
Verlag
Wallstein Verlag
Ort
Göttingen
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-8353-3189-1
Abmessungen
13.8 x 22.2 cm
Seiten
576
Kategorie
Biographien
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