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Wie der Herr, so ’s G’scher –
»Kraushysterische Peter Zapfels«
Kaum zurück in Wien, gibt’s Ungemach von Krausianer-Seite. Am
31. Januar erscheinen im »Morgen« als Vorabdruck aus »Juden und
Deutsche« die auf Karl Kraus bezüglichen Seiten unter dem Titel »Karl
Kraus, der jüdische Advokat«. Damit steht Kuh, anfangs Beobachter
und
– zunehmend parteilicher
– Kommentator der Literatenfehde mit-
ten im Getümmel.
Karl Kraus ist für Kuh der »typischste Repräsentant« und zugleich
»typischste Patient« des »jüdischen Selbsthasses«, des aus dem Misch-
pochalen sich strampelnden Jünglings, der, der Fähigkeit zu naiver und
sexuell erfüllter Liebe beraubt, das entgangene Glück »durch Wertungs-
und Entwertungsmöglichkeit« eines »Abwehr- und Surrogatgeistes«
intellektuell kompensiert, ein Verlust, der mit »lebenslänglicher« Puber-
tät bezahlt werde und »einer ganzen Generation ihre Wirklichkeit ge-
kostet« habe. Exemplarisch heftet Kuh sein Augenmerk auf die Lite-
raturszene in Prag, Berlin und Wien: »Lest es bei Werfel, Kornfeld,
Hasenclever […] – und dann anders, schamhafter und panischer bei
Kraus! Dieser freilich flieht, läuft, ohne eine Kopfwendung nach rück-
wärts; er muß sich im rasenden Wortgalopp erhalten, um nicht zurück-
zusehen. Jene aber behalten den Blick nach dem Ursprung; sie stellen
sich dem Gespenst, dem er haßvoll davonjagt. Daher teils die ›Wallung
gleichen Blutes‹, teils die Blicke ›stählern und bereit‹. Daher das wieder-
holte, neupatentierte Exempel: Vater-Sohn. Ihr Aktivismus ist: Über-
windung des Papa.«1
Kuh beschreibt Kraus, den gescheiterten Schauspieler, als »diabo-
lischen Kopisten – mit Kommentaranhang«, als spiegelfechterischen
»Ad
vo
kat[en] sui ipsius, stets unruhig, angriffswitternd, die Augen scheu
nach rechts und links und dann zu den Sternen emporgerichtet, ob sie
nicht am Ende auch ihn meinen, mit seiner unsichtbaren Aktentasche,
in der die Causa ›Kraus contra mundum‹ verwahrt liegt«; der mit dem
»sprungbehenden rechthaberischen Eifer eines Mietzinsklägers, der die
Gegenrede durch alle Gassen des Witzes jagt […], alle leeren Textspalten
der Erwiderung« vollfitzelt und – Kern von Kuhs Polemik: »quod
corrumperet juventutem!«
– mit den Suaden seiner »Heimbegleitungs-
sprache« seine Jünger, ein »Geschlecht hochschultriger, kopfgesenkter,
augenrollender Grünlinge«, am Gängelband herumführt.
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Buch Anton Kuh - Biographie"
Anton Kuh
Biographie
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Anton Kuh
- Untertitel
- Biographie
- Autor
- Walter Schübler
- Verlag
- Wallstein Verlag
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3189-1
- Abmessungen
- 13.8 x 22.2 cm
- Seiten
- 576
- Kategorie
- Biographien