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(Studenten, Beamte, Phrasen), den Idioten Wiens gern einen Gegen-
dienst: Haut ihr eure Juden – hauen wir euren Juden. Es war in Alt-
österreich so und bleibt so immerdar.«48
Im Juli 1922 wird der renommierte Historiker Samuel Steinherz zum
Rektor der Deutschen Universität Prag für das anstehende Studienjahr
gewählt. Gegen den in k. k. Zeiten gepflogenen Usus, daß Professoren
jüdischer Konfession dieses Ehrenamt umgehend dankend ablehnten,
nimmt der Ordinarius am Historischen Seminar der Karl-Ferdinands-
Universität die Wahl an. Die »Deutscharische Studentenschaft der Prager
deutschen Hochschulen« macht mobil und setzt alles ins Werk, um
Steinherz zum »freiwilligen Rücktritt« zu zwingen. Sie sieht in dem
»Umstand, daß der neugewählte Rektor nicht dem deutschen Volke
entstammt, […] de[n] deutsche[n] Charakter unserer Hochschule« be-
droht. »Die Notlage unseres Volkes und der Universität insbesonders«
erfordere, »daß an der Spitze der Universität nur voll und ganz unserem
Volke angehörige Professoren stehen«.49 Am 16. November stürmen
die völkischen Studenten die Universität und legen mit à la Brigade
Ehrhardt gedrillten Streikposten50 den Betrieb an sämtlichen Instituten
lahm.
Karl Tschuppik, der in seinem Kommentar kategorisch festhält, daß
alles »[w]as im deutschen Prag mit deutscher Kultur, mit Bildung und
Bedürfnissen der Zivilisation zuammenhängt, […] jüdischen Ursprungs«
sei, analysiert »die antisemitische Rebellion der deutschen Studenten«
als »Rache des Trottels, der dem Gefühl der Minderwertigkeit zu ent-
rinnen sucht. […] Das Geschwätz und Geschrei von ›nationaler Unter-
drückung‹ war Maskerade; den tapferen deutschen Studenten geniert es
gar nicht, daß der Staat seine Institute und Lehranstalten benachteiligt,
daß er national zurückgesetzt und in seinen kulturellen Bedürfnissen
auf ein Mindestmaß herabgesetzt wird; der Berufs- und der Saufstudent
wird, wie er es im alten Österreich gewesen, auch im tschecho-slowaki-
schen Staat ein folgsamer Polizeiknecht und Diurnist werden; sein
Nationalismus ist die größte Lüge. In leidenschaftliche Aufwallung, in
Rage und Aufruhr bringt ihn nur die Tatsache, daß über ihm eine geistige
Welt existiert, die ein jüdisches Antlitz trägt. Die Rache des antisemiti-
schen Trottels ist eine Rache am Geist.«51
Tschuppik, »kein Jude, aber eine Kreatur, die, eben weil sie als Nicht-
jude diese namenlos niederträchtige Besudelung begangen hat, unend-
lich tiefer zu stellen ist, als wenn ein Jude sie ausgesprochen hätte«, reizt
damit einen »Dr. B.« zur Weißglut – dessen Vernichtungsfuror auch
Anton Kuh nicht entkommt: »Im ›Neuen Wiener Journal‹ hat – hier
wenigstens ein Jude
–, nämlich Anton Kuh eine Reihe ähnlicher Schmä-
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Buch Anton Kuh - Biographie"
Anton Kuh
Biographie
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Anton Kuh
- Untertitel
- Biographie
- Autor
- Walter Schübler
- Verlag
- Wallstein Verlag
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3189-1
- Abmessungen
- 13.8 x 22.2 cm
- Seiten
- 576
- Kategorie
- Biographien