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Der Rezensent der »Dötz« übergeht nicht von ungefähr, »was [Kuh]
an Börnes Schriften wert hält, der Gegenwart in Erinnerung zu brin-
gen«. Welcher Deutsche, zumal vom Schlag strammer Teutone, will
sich schon Bemerkungen unter die Nase reiben lassen wie: »und an Geist
fehlt es ihnen, weil sie Deutsche sind«; oder: »Die Deutschen können
das Befehlen und das Gehorchen nicht lassen, und es ist schwer zu be-
stimmen, woran sie am meisten Vergnügen finden. Auch ist es ein
höchst deutscher Dichter, welcher singt: ›Du mußt herrschen oder die-
nen, / Amboß oder Hammer sein.‹ Treffender Spruch, ob er schon eine
große Unwahrheit und eine abscheuliche Verleumdung der mensch-
lichen Natur enthält. Herrschen oder dienen, das heißt Sklave sein auf
diese oder jene Weise; dort umschließen goldne, hier eiserne Stäbe den
Käfig. Die Kette, welche bindet, ist so gebunden als das, was sie bindet.
Aber der Mensch ist zur Freiheit geboren, und nur so viel als die Lebens-
luft der Beimischung des Stickgases bedarf, um atembar zu sein, soviel
muß die Freiheit beschränkt werden, um genießbar zu bleiben« – Der
»höchst deutsche Dichter« ist Johann Wolfgang Goethe (»Kophtisches
Lied«); oder: »[Napoleon] wußte, daß der Deutsche gern ein Knecht
ist, wenn er nur zugleich einen Knecht hat«; oder: »Die armen Deut-
schen! Im untersten Geschosse wohnend, gedrückt von den sieben
Stockwerken der höhern Stände, erleichtert es ihr ängstliches Gefühl,
von Menschen zu sprechen, die noch tiefer als sie selbst, die im Keller
wohnen. Keine Juden zu sein tröstet sie dafür, daß sie nicht einmal
Hofräte sind«.
Die Börne-Auslese, die »Der Republik Deutschland zum Studium«
gewidmet ist, wie die Vorrede wirkten »nach den deutschen Begeb-
nissen von 1921 als rückschauende Prophetie«, hält Kuh in einer Nach-
bemerkung fest, sie seien aber lang vorher zusammengestellt resp. ge-
schrieben und gedruckt gewesen. »Verzögerungen in der Herstellung
haben allem, was darin deduziert ist, den Anschein induktiver Darstel-
lung gegeben.«6
Und gerade in den Tagen, da Kuh letzte Hand an die Börne-Auswahl
legt, da er »mit dem erlauchten Urahn und Blutpatron Hardens be-
schäftigt war, seinem sprach- und gesinnungsfesteren Parteigänger«,
stehen jene beiden Männer aus dem Umkreis der rechtsextremen »Or-
ganisation Consul« – sie war für eine ganze Serie politischer Morde
verantwortlich, die sich vornehmlich gegen jüdische Persönlichkeiten
in führenden Positionen in Staat und Gesellschaft richteten – vor dem
Landgericht Berlin III, die am 3. Juli des Jahres Maximilian Harden
angegriffen und lebensgefährlich verletzt haben. Am 14. Dezember
1922 werden der zweiundzwanzigjährige Landwirtschaftsgehilfe Her-
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Buch Anton Kuh - Biographie"
Anton Kuh
Biographie
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Anton Kuh
- Untertitel
- Biographie
- Autor
- Walter Schübler
- Verlag
- Wallstein Verlag
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3189-1
- Abmessungen
- 13.8 x 22.2 cm
- Seiten
- 576
- Kategorie
- Biographien