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Am Schluß donnernder Applaus, in den sich nicht der leiseste Miß-
fallenston mischt.
Kuh sollte tatsächlich nicht das letzte Wort haben
– Kraus klagt.*
Kraus geht nicht nur gerichtlich vor, er antwortet am 14. November
mit dem Vortrag »Vor 900 Zeugen« in ebenjenem Mittleren Konzert-
haussaal. Darin fallen – ohne daß dieser namentlich genannt würde –
jene Bemerkungen über Kuh, die von seinen Jüngern bis zum heutigen
Tag nachgeplappert werden. Er sei keiner Befassung würdig außer der
von Gerichten. Abschätzig ist von »Selbstwegwurf« die Rede; vermessen
von »aus dem Rahmen der Anonymität herausspringend und sich leib-
lich auf mein Podium wagend«; hochfahrend von »meiner verwünsch-
ten Zugkraft, die auch dann einen Saal füllen kann, wenn ich nicht
auftrete«; selbstgerecht von der »Selbstauflösung einer Nichtsubstanz,
die auf mich abwälzt, was sie an sich selbst unerträglich fühlt«; vom
»Unzulängliche[n], das den Platz des Karl Kraus bereits besetzt findet
und durch die Chance dieses Pechs zum Ereignis werden möchte«.12
Nicht nur die »Krausianer«, für die jedes Wort des Meisters aus dem
Dornbusch gesprochen und also geoffenbarte Wahrheit ist, beten die
Invektiven ungeprüft nach, sondern bis heute auch – mit wenigen
Ausnahmen – gestandene Karl-Kraus-Philologen, weil sie »seine Stil-,
seine Selbstdeutungsgrenzen nicht verlassen«, wie Kuh am 25. Oktober
1925, als hätte er’s vorausgewußt, feststellte, anders gesagt, weil sie
immer nur den Meister reproduzierend exegieren, alles andere gälte als
Abfall von der reinen Lehre. Kuh gehöre zu den wenigen, mit denen
sich Karl Kraus in der »Fackel« nicht abgegeben habe – nach der hoch-
fahrenden Maxime »Größerer Gegner gesucht«; auf Kuhs Angriffe habe
Kraus nie anders reagiert denn durch gerichtliche Klagen; Kuh habe es
nicht verwinden können, daß der Platz Karl Kraus’ bereits besetzt war;13
Kuh wäre gern dieselbe »Instanz« gewesen wie Kraus.14 Man empört
sich, daß Kuh ausgerechnet »in demselben Konzertsaal, in welchem
Kraus vorlas«, diesen als »Affen Zarathustras« verhöhnte15 – als sei’s
eine Tempelschändung und als wäre Kuh nicht ab 1921 wiederholt dort
aufgetreten. Besonders empörend und unter »unerhörte Geschmack-
* Neben diesem Ehrenbeleidigungsprozeß trägt der Vortrag Kuh einen Ein-
trag im »Kleinen Kaffeehaus-Brehm« ein: »Die (vor)tragende Kuh (Bos
Antonia) treibt sich in Konzerthaussälen aller Größen (großer, mittlerer
und kleiner) herum und frißt mit Vorliebe Blättter (›Tag‹– ›Stunde‹–
›Bühne‹), aber auch Affen, welch letztere ihm Üblichkeiten bereiten«
(Schnidi: Der Kleine Kaffeehaus-Brehm. In: Der Götz von Berlichingen
[Wien], Jg. 4, Nr. 44, 30.10.1925, S. 3).
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Anton Kuh
Biographie
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Anton Kuh
- Untertitel
- Biographie
- Autor
- Walter Schübler
- Verlag
- Wallstein Verlag
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3189-1
- Abmessungen
- 13.8 x 22.2 cm
- Seiten
- 576
- Kategorie
- Biographien