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Beim »Land des Lächelns«, uraufgeführt am 30. Oktober 1930 im
Münchner Phoebus-Palast, erfindet das Drehbuch-Team überhaupt
nur eine notdürftig gekleisterte Rahmenhandlung, um die für den Film
gekürzte und adaptierte Lehár-Operette ungestört abspulen lassen zu
können. Kurz: verfilmtes Theater, photographierte Kulisse, Unterhal-
tungsware mit dem einzigen Ehrgeiz, marktgängig zu sein. Man sieht
Richard Tauber immer wieder minutenlang in Großaufnahme wie auf
der Bühne singen und bekommt dabei, ätzt ein Berliner Kritiker »so
viel Gesangstechnik zu sehen […], daß der Genuß seines Gesanges
darunter notwendig leiden muß«.56 Die Berliner Kritiken reichen denn
auch von »elementarer Verfehlung«57 über »Musterbeispiel dafür, wie
man Bühnenoperetten nicht vertonfilmen soll«58, bis »geistiger Banke-
rott« des Tonfilms59. Ganz anders sieht dies ein Rezensent der Wiener
Erstaufführung, der meint, die Hauptsache sei schließlich, daß Tauber
singe. Bei der Festpremiere im Apollo-Kino – unter Anwesenheit von
Richard Tauber und Franz Lehár – habe Taubers Singen trotz proble-
matischer Tonwiedergabe immer wieder stürmischen Jubel ausgelöst:
»Köstlich übrigens, wenn nach einer der berühmtesten Arien der Beifall,
der im Film ertönt, sich mit dem Beifall des Kinopublikums vermengt
und so lange anhält, bis die tönende Leinwand ganz nach Tauberscher
Manier die Piece wiederholt.«60
Sei’s drum: Das Publikum stürmt die Kinos, der Film, wieder mit dem
Prädikat »Künstlerisch« bedacht, beschert Rekord-Einspielergebnisse.
Richard Tauber, dessen Tauber-Tonfilm-Gesellschaft eigens zu dem
Zweck geschaffen worden war, um den Musikfilm zu entwickeln, ge-
lobte auf die harsche Berliner Kritik hin zwar Besserung, verhehlte aber
gleichzeitig nicht, daß es die Hauptaufgabe seiner Rollenschreiber sei,
»die Notwendigkeit [s]eines Singens zu rechtfertigen«. Und gibt jenen,
die sich an den minutenlangen »unästhetischen« Großaufnahmen des
Tenors mit weit geöffneten Mund gestoßen hatten, pikiert zu bedenken,
daß »die Kunst des Singens mit geschlossenem Mund
– und somit auch
mit geschlossener Kehle – […] im Tonfilm leider noch immer nicht
genügend eingeführt« sei. Er werde sich indessen bemühen »einen
Mittelweg zu finden, der es ermöglicht, dem Gesang doch das zu geben,
was des Gesanges ist, ohne das Auge anzuöden«. Und gesteht unumwun-
den, daß er auch zu jenen gehöre, »die der ›schöne Schein‹ glücklicher
macht als der ›tiefere Sinn‹«.61
G. W. Pabst hatte 1928 auf eine Umfrage unter Filmschaffenden ge-
antwortet: »Sie fragen: was soll
– muß
– besser werden? Das Publikum!
Wie? Durch bessere Filme! Wie erreichen wir diese? Indem wir die
Meinung aufgeben, daß das Publikum dümmer ist als wir. Die berühmte
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Buch Anton Kuh - Biographie"
Anton Kuh
Biographie
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Anton Kuh
- Untertitel
- Biographie
- Autor
- Walter Schübler
- Verlag
- Wallstein Verlag
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3189-1
- Abmessungen
- 13.8 x 22.2 cm
- Seiten
- 576
- Kategorie
- Biographien