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bahn-Coupé, bot eine dürftige, fadenscheinige Geschichte rund um den
Hauptdarsteller Richard Tauber in der Rolle eines Sängers, Musikers
und Jazzbanddirigenten, der mit seiner großen Kapelle durch die Lande
zieht, die den Rahmen liefert für die Schlager, die immer wieder das
Publikum bezaubern und zu Beifall animieren. Oder, wie der »Kine-
matograph« schreibt, das Drehbuch ist »von Kopf bis Fuß auf Richard
Tauber eingestellt«.64 Ein Minimum an Kitschhandlung – die Bespre-
chung im »Berliner Tageblatt« hebt an mit dem Resümee »Trauernd
stehen wir wieder am Grabe einer Filmhoffnung« und erspart es sich
und seinen Lesern, die Handlung des Films zu referieren, »die eine
Misshandlung alles Filmischen ist«65 –, der Rest ist singender Tauber
plus photographiertes Varieté.
Was dem Erfolg an den Kinokassen keinen Abbruch tut
– im Gegen-
teil: Allein in Berlin läuft der Film im September 1931, kurz nachdem
er dort in die Kinos gekommen war, in 20 Lichtspieltheatern und sorgt
für volle Häuser.
1928 – 1930
Als Josephine Baker Anfang Feber 1928 in Wien eintrifft, formiert sich
wieder jene Front, die kurz zuvor das christliche Abendland mit Stink-
bomben und Juckpulver in den Aufführungen und Demonstrationen
vor der Wiener Staatsoper vor und nach den Aufführungen von Ernst
Křeneks »Negeroper« »Jonny spielt auf« schützen zu müssen glaubte.
In unmittelbarer Nachbarschaft des Johann-Strauß-Theaters, wo die
Baker ab 1. März dann doch auftritt, in der Paulanerkirche, findet am
11. März ein erster »Sühnegottesdienst« gegen die »Schlammflut von
Unzucht und sogenannten freien Sitten« statt, der sich dem Empfinden
von Christlichsozialen, Deutschvölkischen und Hakenkreuzlern nach
über Wien ergießt und die gesamte Bevölkerung in den Abgrund des
Verderbens zu reißen droht. Um dem »Argument« Nachdruck zu ver-
leihen, daß die zur Schau gestellte Nacktheit die Unschuld der Jugend
gefährde, wird in der Parlamentsdebatte über die Baker von der Rechten
mehrfach die sogenannte »Steglitzer Schülertragödie« als drohendes
Szenario beschworen. Der Hauptverdächtige in diesem Eifersuchts-
mord unter Berliner Gymnasiasten, der Primaner Paul Krantz, steht im
Feber 1928 vor Gericht.
Anton Kuh, in diesen Tagen ebenfalls auf Besuch in Wien, dazu:
»Siegt der Dörflergeist nicht auf allen Linien?
… Ich sprach vor Jahren
von der ›Verkremserung Wiens‹. Heute muß ich das Wort zurückneh-
men. Krems verdient den Tort nicht.«66
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Buch Anton Kuh - Biographie"
Anton Kuh
Biographie
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Anton Kuh
- Untertitel
- Biographie
- Autor
- Walter Schübler
- Verlag
- Wallstein Verlag
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3189-1
- Abmessungen
- 13.8 x 22.2 cm
- Seiten
- 576
- Kategorie
- Biographien