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reicher« Hugo von Hofmannsthals unauslöschlich in Gegensatzpaaren
kanonisiert wie: »Handelt nach der Vorschrift – Handelt nach der
Schicklichkeit«; »Selbstgefühl – Selbstironie«; »Behauptet und recht-
fertigt sich selbst – Bleibt lieber im Unklaren«; »Selbstgerecht, an-
maßend, schulmeisterlich – Verschämt, eitel, witzig«; »Kampf ums
Recht – Lässigkeit«; »Unfähigkeit, sich in andere hineinzudenken –
Hineindenken in andere bis zur Charakterlosigkeit«; »Gewollter Cha-
rakter – Schauspielerei«; »Streberei – Genußsucht«; »Vorwiegen des
Geschäftlichen – Vorwiegen des Privaten«; »Harte Übertreibung –
Ironie bis zur Auflösung«.51
Sinnfällig symbolisiert sieht Karl Tschuppik »Den kleinen Unter-
schied« in ebender Speise, an der schon Kuh im Mai 1931 den un-
überbrückbaren Wesensunterschied zwischen »österreichisch« und
»deutsch« demonstriert hatte: im Beuschel des Salzburger Gasthofs
»Traube«. Tschuppik: »Ich saß einmal mit einem befreundeten Priester
in der ›Traube‹ zu Salzburg. Wir aßen eine österreichische Speise: Beu-
schel mit Knödel. An unseren Tisch hatte sich ein deutsches Ehepaar
gesetzt (es war vor der 1.000-Mark-Sperre). Das fremde Paar interes-
sierte sich für unser Essen (wobei leider die Vermutung des Mannes,
daß es sich um ›Lungengekröse‹ handle, unsern Appetit fast verdorben
hätte). Die Deutschen ließen sich ›Beuschel‹ mit Knödel geben. Es
schmeckte ihnen so gut, daß der Mann zur Frau sprach: ›Ach, Klot-
hilde, laß dir doch mal vom Direktor die Anweisung geben. Das müs-
sen wir zu Hause versuchen.‹ Darauf mein Freund, der gute Öster-
reicher: ›Verehrter Herr, so einfach, wie Sie meinen, ist die Sache nicht!
Auch dieses Beuschel setzt sechshundert Jahre Habsburg und Katho-
lizismus voraus!‹«52
Mit dreihundert Jahren Habsburg und Katholizismus gab sich die
»Österreich-Ideologie« des Ständestaats daneben direkt bescheiden: Der
spielte die »Entdeckung« des Barock nicht nur als genuin österreichi-
schen Bau- und Malstils, sondern und in weiterer Folge überhaupt öster-
reichischen Lebensstils und österreichischer Wesensart, als von allen
Wechselfällen der Politik unberührter Konstante österreichischer Kultur
gleich mehrfach in die Karten. Damit konnte der Scherben aus der
Konkursmasse der Habsburgermonarchie zum einen nahtlos anknüpfen
an die glorreiche Tradition des Großreichs auf dem Gipfel seiner Macht.
Zum anderen konnte man sich als katholisch gegenreformatorisch ge-
prägtes Land in Opposition zum deutschen Protestantismus und insbe-
sondere zum »neuheidnischen« Nationalsozialismus setzen
– mit einiger
Vermessenheit: Kurt Schuschnigg, von 1934 bis zum »Anschluß« Bun-
deskanzler des austrofaschistischen Ständestaats: »Österreich hat seine
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Buch Anton Kuh - Biographie"
Anton Kuh
Biographie
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Anton Kuh
- Untertitel
- Biographie
- Autor
- Walter Schübler
- Verlag
- Wallstein Verlag
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3189-1
- Abmessungen
- 13.8 x 22.2 cm
- Seiten
- 576
- Kategorie
- Biographien