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Trost gewesen wäre, daß es »nicht bloß der bedeutende Mann [ist], der
legendäre Witzstrahlen aussendet; umgekehrt strömen die Witze immer
der namhaften Persönlichkeit zu«23?
Es ist ohnehin müßig, am Leichtfaßlichen zu kratzen; die Gefahr ist
verschwindend gering, daß dem Hausgebrauch die Henkel entgleiten,
mit denen er sich am Klischee festkrallt, das er für die ungefilterte, für
nichts als die ungefilterte Wahrheit hält.
1931 – 1932
Mit einem Thema, das in der Weltwirtschaftskrise im Gefolge des
»Schwarzen Freitags« aktueller nicht sein könnte, »Warum haben wir
kein Geld?«, ist Anton Kuh rednerisch im Herbst und Winter 1931/1932
auf Tour
– »in freiwilliger und ungebetener Stellvertretung für Max Pal-
lenberg«, wie in den Vorankündigungen des öfteren zu lesen steht.24
Max Pallenberg, der renommierteste Charakterkomiker der deutsch-
sprachigen Bühne, und seine nicht minder berühmte Ehefrau, Fritzi
Massary, verlieren ihre Ersparnisse aus zwanzig Jahren
– 227.000 Dollar,
in österreichischer Währung gut eineinhalb Millionen Schilling
– beim
Krach der niederländischen Amstelbank. Wie viele andere Künstler,
denen der über dem Geldinstitut prangende Name »Rothschild« ein
Blitzableiter gegen alle Krisengewitter zu sein schien. Und er ist keines-
wegs gesonnen, diesen Schlag schicksalsergeben hinzunehmen. Im
Gegenteil. Er berserkert in den Amsterdamer Direktionsbüros der Bank
wie der rasende Roland und spricht, vielmehr: brüllt am 1. September
1931 bei der Gläubigerversammlung in Wien Tacheles. Er bezeichnet
die Vorstände als Diebe, Schwindler und Betrüger, läßt sich über die
Mißwirtschaft der Bank aus und, Shylock und Michael Kohlhaas in
einem, belegt die Direktoren vom Podium herab mit Ausdrücken, »die
allein für ein Dutzend Ehrenbeleidigungsklagen ausreichen«. Aufge-
bracht schmettert er in den Saal: »Wenn ein armer Teufel irgendwo eine
Semmel stiehlt, wird er eingesperrt. Wenn ein kleiner Händler aus Not
einem anderen Geld veruntreut, muß er sitzen und den Verlust erset-
zen, die großen Bankdirektoren aber gehen immer frei aus, sie bleiben
immer die großen Herren, sie haben immer ihr Schäfchen im Trocke-
nen und werden niemals belangt.«25 Und kündigt der verdutzten Ver-
sammlung an: »Ich habe es mir zum Lebensziel gemacht, so lange nicht
brandt:
… ich soll dich grüßen von Berlin. 1922-1932. Berliner Erinnerungen
ganz und gar unpolitisch. Post mortem herausgegeben von zwei Freunden.
5. Aufl. München 1979 [erstmals 1966], S. 130).
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Buch Anton Kuh - Biographie"
Anton Kuh
Biographie
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Anton Kuh
- Untertitel
- Biographie
- Autor
- Walter Schübler
- Verlag
- Wallstein Verlag
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3189-1
- Abmessungen
- 13.8 x 22.2 cm
- Seiten
- 576
- Kategorie
- Biographien