Seite - 340 - in Anton Kuh - Biographie
Bild der Seite - 340 -
Text der Seite - 340 -
340
zu ruhen, bis die Leute, die hier schuld sind, bestraft werden. Ich bin
gesonnen, alle Mittel anzuwenden, selbst die absurdesten, die je da
waren. Ich werde mir ein Theaterstück schreiben lassen: ›Die Amstel-
bank‹; ich schwanke nur noch, ob ich darin den Präsidenten Rothschild
oder seinen Generaldirektor Ehrenfest spielen werde. Aber jetzt bin ich
entschlossen, einen Vortrag zu halten mit den Thema: ›Die Amstel-
bank, ihre Generaldirektoren und ich‹. In allen großen deutschen Städ-
ten werde ich diesen Vortrag halten; wir werden sehen, wer für die Welt
wichtiger ist, wer der Welt mehr geben kann, die vierzig geschädigten
geistigen Arbeiter oder die Herren der Amstelbank.«26
Anfang Oktober bläst Pallenberg zum Rückzug, übergibt die Sache
einem Rechtsanwalt und sagt den Vortrag ab. Wohlweislich: Sein »Wie-
ner Amstelruf« hat ihm Hohn und Häme zuhauf eingetragen, und sein
Vortrag wäre eine »Überspannung seines persönlichen Kredits« gewe-
sen, die man ihm so leicht nicht nachgesehen hätte.27
Einen Monat vor seinem Auftritt in Wien kündigt Kuh in einem In-
terview noch an, er werde »Pallenbergs abgesagten Vortrag über die
Amstelbank« halten.28 Kurz davor gibt er – als lebenslanger
Fachmann der Geldlosigkeit nunmehr zum »Orakel des des-
orientierten Kapitalismus«29 avanciert – zu verstehen, er habe
»keineswegs die Absicht, nur über die Amstelbank zu spre-
chen, höchstens in dem Sinne, daß ich das gesamte Kulturleben
jetzt als eine pleite gegangene Amstelbank betrachte; viele,
viele Einleger sind dabei um ihr Kapital gebracht worden …«30
Seine Kernthese: »Geld und Geist« verbindet mehr als eine Allitera-
tion. Ersteres sei durch die Kulturwerte, mit denen die zweite und dritte
Generation der Großkapitalisten ihren Reichtum meinte drapieren und
damit Glanz und Noblesse verleihen zu müssen
– die erste Generation
habe ihren Profit mit dem nüchternen, »untäuschbaren, sachlichen
Moltke-Blick auf die Wirklichkeit« gemacht –, nicht mehr gedeckt.
Kultur und Geist hätten einen massiven Kursverlust erlitten, deswegen
die Flucht des Geldes aus dieser Sphäre.
Kuh spricht über die Selbstzerstörung der kapitalistischen Welt, die
freiwillige Demütigung des Künstlertums gegenüber der korrupten und
korrumpierenden Welt des »neuen« Reichtums, eine durch
Kultur
inflation verkommene Kultur. Am Theater, allerorten in
der Krise, erweise sich das am deutlichsten. »Der bengalische
bürgerliche Zauber: das Theater. Franz Josef besuchte es, um
zu sehen, welchen Frack der Schauspieler Sonnenthal trug. Das
Bürgertum brauchte das Theater, um an seine eigene Wirklichkeit zu
glauben, ungebrochenere Zeiten hielten es sich (und verachteten es). Je
Wien,
Theater in der
Josefstadt,
15.11.1931,
11.30 Uhr:
Warum haben
wir kein Geld?
Prag,
Urania, Großer
Saal, 23.11.1931,
20 Uhr:
Warum haben
wir kein Geld?
zurück zum
Buch Anton Kuh - Biographie"
Anton Kuh
Biographie
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Anton Kuh
- Untertitel
- Biographie
- Autor
- Walter Schübler
- Verlag
- Wallstein Verlag
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3189-1
- Abmessungen
- 13.8 x 22.2 cm
- Seiten
- 576
- Kategorie
- Biographien