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dass das Morgen ein Übermorgen ist. / Übermorgen … nehmen Sie
dieses Wort in die Haft mit! Sagen Sie sich, dass es für die wenigen, auf
die man übermorgen rechnen will, manchmal das beste ist, das Morgen
nicht mitzuerleben – weil es sie nur verwirren, knieweich machen,
stumpf schlagen könnte.«25
Im Sommer wieder bei den Salzburger Festspielen, berichtet Kuh
allerdings nur aus der Perspektive des »Café ›Bazar‹ am Salzachstrand«,
das sich »wie alljährlich in eine Kalkalpen-Dependance des ›Romani-
schen‹« verwandelt.26 Bleibender Eindruck von der Sommerfrische im
Salzkammergut, den er nach Berlin mitnimmt: »Wenn sich das, was der
Auerhahn balzt, in die deutsche Sprache übersetzen liesse, müssten
namens des Brachtschen Erlasses* die Ortsbehörden gegen ihn ein-
schreiten.«27
Im Frühjahr 1932 verläßt der vierunddreißigjährige Schneider Karl
Ignaz Hummel heimlich seine schwangere Ehefrau in Offenburg und
macht sich mit dem Fahrrad nach Algerien auf, um in die Fremdenlegion
einzutreten. Als ihm in Italien das Geld ausgeht, verfällt er auf die Idee,
sich beim deutschen Generalkonsulat in Neapel als Oskar Daubmann
auszugeben, ein Schulfreund, der seit der Somme-Schlacht 1916 als ver-
mißt gemeldet ist. Er sei verwundet in Gefangenschaft geraten, habe als
Rekonvaleszent bei einem Fluchtversuch einen Wachtposten getötet
und sei dafür zu zwanzig Jahren Zuchthaus verurteilt worden, die er in
einer Strafkolonie nahe Tunis habe verbüßen müssen, und von dort sei er
nun zu Fuß geflohen. Seine »Vaterstadt« Endingen (bei Freiburg) berei-
tet dem »Heimkehrer« am 29. Mai 1932 einen Festempfang mit Fahnen-
* Die vom stellvertretenden Reichskommissar Franz Bracht erarbeitete und
am 28.9.1932 vom preußischen Innenministerium erlassene »Polizeiver-
ordnung zur Ergänzung der Badepolizeiverordnung vom 18. August 1932«,
der sogenannte »Zwickelerlaß«. Am 18.8.1932 gibt das Ministerium eine
»Badepolizeiverordnung« heraus, in der das »öffentliche Nacktbaden oder
Baden in anstößiger Badekleidung« verboten wird. Da die Formulierung »in
anstößiger Badekleidung« großen Interpretationsspielraum läßt, präzisiert
ein neuerlicher Erlaß (vom 28.9.1932): »Frauen dürfen öffentlich nur baden,
falls sie einen Badeanzug tragen, der Brust und Leib an der Vorderseite des
Oberkörpers vollständig bedeckt, unter den Armen fest anliegt sowie mit
angeschnittenen Beinen und einem Zwickel versehen ist. Der Rückenaus-
schnitt des Badeanzugs darf nicht über das untere Ende der Schulterblätter
hinausgehen. […] Männer dürfen öffentlich nur baden, falls sie wenigstens
eine Badehose tragen, die mit angeschnittenen Beinen und einem Zwickel
versehen ist. In sogenannten Familienbädern haben Männer einen Bade-
anzug zu tragen.«
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Buch Anton Kuh - Biographie"
Anton Kuh
Biographie
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Anton Kuh
- Untertitel
- Biographie
- Autor
- Walter Schübler
- Verlag
- Wallstein Verlag
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3189-1
- Abmessungen
- 13.8 x 22.2 cm
- Seiten
- 576
- Kategorie
- Biographien