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Anatol Jaro weiß zu berichten, daß Kuh sich bei einem Amerikaner
als Ghostwriter verdingt habe, der via »Fernuniversität« seinen Doktor
machen wollte. »Sein Auftraggeber hatte sich Diskretion ausbedungen
und ersuchte Kuh, geschäftliche oder, wie in diesem Falle, wissenschaft-
liche Erörterungen nicht in Gegenwart anderer, sondern nur über das
Telephon zur Diskussion zu stellen. Kuh hatte den besten Willen, eine
Arbeit über das Gebiet der Psychoanalyse zu verfassen. Woher aber die
Zeit nehmen? Sein ›Boß‹ las zwar Freud, hatte aber nie was von Adler
gehört. So erschien Kuh mehrere Male in der Woche in meinem Appar-
tement, nahm sich die Werke Adlers vor, rief seinen Schüler an und las
ihm über die Telephonleitungen die herrlichsten ›Abhandlungen‹ vor, die
dem Zuhörer elektrisierende, revolutionierende Ideen eingaben, Kuh
hoch belohnten und dem ambitionierten Studenten zum Doktorhut ver-
halfen. Ein echter Kuh!«19 Gottfried Reinhardt gegenüber läß Kuh sich
detailliert über seine Ghostwriterei aus, und er nennt auch den Auftrag-
geber: Gert von Gontard.20 Zwei Indizien: Gontard, ehemals Heraus-
geber der »Neuen Revue«, an der Kuh mitarbeitete, stattet im Vorwort
seiner antipsychoanalytischen Monographie »In Defense of Love. A
Protest Against ›Soul Surgery‹« Anton Kuh Dank für dessen Mitarbeit
ab.21 Und am 18. März 1940 teilt Ferdinand Bruckner Anton Kuh zwei
englische Versionen dieser Danksagung mit, um deren Übersetzung aus
dem Deutschen Kuh ihn offenbar gebeten hatte.22 Daß Kuh häufig im
Lesesaal der New York Public Library in der 42nd Street zugange war,
könnte, muß aber nicht mit Recherchen für das Buch zu tun haben.23
Ebenso unsicher sind die spärlichen Informationen über Kuhs Le-
bensumstände und seinen Umgang in New York – »Hearsay« –, sie
werden hier nur kolportiert. Dokumentiert ist allenfalls seine Verheira-
tung mit Thea Tausig (geb. Goldmann) am 3. August 1939, schwarz auf
weiß belegt ist durch Berichte im »Aufbau« allenfalls seine Teilnahme
an einigen offiziösen* und weniger offiziösen** Veranstaltungen.
* Etwa an einem vom Emergency Rescue Committee veranstalteten Fest-
essen im Hotel Commodore – »New Yorker Patriziat und europäischer
Parnass in freundgeselligem Beisammensein«
–, das mit 1500 Gästen »einer
geistigen Heerschau ähnlicher [ist] als einer landläufigen Dinner-Party«.
Unter den Anwesenden (auf der Ehren-Estrade): Jules Romains, Somerset
Maugham, Thomas Mann, Dorothy Thompson, Heinrich Mann, Franz
Werfel, Konrad Heiden und Franz Höllering; (wie Anton Kuh unten im
Saal): Carl Zuckmayer, Martin Gumpert, Emil Julius Gumbel, Gottfried
Bermann-Fischer, Hermann Kesten, Leo Lania, Lucien Vogel, Erika, Klaus
und Golo Mann (Hans T. Anton: Die gerettete Literatur. Europa in einem
New Yorker Hotel. In: Aufbau, Vol. 6, No. 45, November 8, 1940, p. 9).
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Buch Anton Kuh - Biographie"
Anton Kuh
Biographie
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Anton Kuh
- Untertitel
- Biographie
- Autor
- Walter Schübler
- Verlag
- Wallstein Verlag
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3189-1
- Abmessungen
- 13.8 x 22.2 cm
- Seiten
- 576
- Kategorie
- Biographien