Seite - 14 - in Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
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ablehnend gegen eine Aufnahme des 1926 ver-
storbenen Nationalökonomen Friedrich Freiherr
von Wieser, weil dieser „nicht rein arisch“ sei.
Wieser erhielt sein Denkmal im Arkaden-
hof erst 1957. In den Nachkriegsjahren kam es
noch einmal zu einer verstärkten Denkmal-
setzungsinitiative.8 Als Rektor setzte sich Meis-
ter für die Aufstellung des Denkmals des Theo-
logen und Politikers Ignaz Seipel ein, dem er
sich aus der Zeit des Ständestaates stark ver-
bunden fühlte. Auch als Präsident der Akade-
mie der Wissenschaften folgte Meister dem Bei-
spiel der Universität Wien und ließ in der Aula
des Akademiegebäudes, der ehemaligen Univer-
sität, Büstenmonumente der Präsidenten aufstel-
len, u. a. von Eduard Suess, der sein Rektorat
schon 1889 wegen antisemitischer Anfeindun-
gen vorzeitig beendete und der im Arkadenhof
kein Denkmal hat, obwohl er nicht nur ein in- ternational anerkannter Geologe, sondern auch
als Liberaler universitätspolitisch aktiv war.9
Ein aktualisiertes Verzeichnis der Denkmäler
im Arkadenhof ist das Buch von Thomas Maisel
(2007).10 Die Monumente wurden im restaurier-
ten Zustand neu aufgenommen. 88 Denk
mäler
waren nach 1934 noch dazugekommen. Diese
informative Publikation war Ausgangspunkt für
das Projekt „Ge(l)ehrte Köpfe“, dessen Ergebnis-
se in der elektronischen Wiki-Plattform monu-
ments – das Wiki zu den Denkmälern der Univer-
sität Wien allgemein zugänglich sind und laufend
korrigiert und ergänzt werden.11
Im Folgenden werden einige der Ergebnis-
se für grundsätzliche Fragestellungen nach dem
Typus des universitären Ehrenhofes und der Rol-
le des Professorendenkmals in den Jahren um
1900 in Wien herangezogen.12
geschichtsgalerie, ruhmeshalle
oder campo santo – die idee
Der Arkadenhof des historistischen Hauptgebäu-
des der Universität Wien gehört mit seinen über
150 Denkmälern zu den größten universitären Ge-
denkräumen Europas.13 Er liegt im Zentrum des
palastartigen Neorenaissancebaues an der Ring-
straße und bildet die Schnittstelle der Kommu-
nikationswege, die von der Aula zu den seitlichen
Treppenhäusern und einst direkt zur Bibliothek
führten (siehe Plan Abb. Vorsatz und Einblick
Abb. Frontispiz). Der Arkadenhof ist eingebun-
den in ein Bildprogramm, das an der Hauptfas- sade 128 berühmte Gelehrte als Nischenfiguren,
Medaillons und Namenstäfelchen präsentiert. Sie
folgen einer hierarchischen Ordnung von antiken
Philosophen über Gelehrte des Mittelalters und
der Frühen Neuzeit bis hin zu berühmten Zeit-
genossen, die nicht aus den Ländern der Habs-
burgermonarchie stammten. Geordnet nach den
klassischen vier Fakultäten verkörpern sie die Uni-
versitas litterarum Vindobonensis, wie die Inschrift
unterhalb des Giebelreliefs mit Darstellung der
Geburt der Minerva verkündet.14 Im Hof sollten
ingeborg
schemper-sparholz14
8 Vgl. den Beitrag von M. Engel in diesem Band.
9 Mühlberger, Das „Antlitz“ der Wiener Philosophischen Fakultät (zit. Anm. 2), S. 95–101.
10 Th. Maisel, Gelehrte in Stein und Bronze. Die Denkmäler im Arkadenhof der Universität Wien, Wien 2007.
11 URL: https://monuments.univie.ac.at, abgerufen am 29. August 2016.
12 Für Hinweise und anregende Diskussion sei an dieser Stelle meinen MitarbeiterInnen Martin Engel, Andrea Mayr,
Julia Rüdiger und den Studierenden der Übung im Studienjahr 2013/14 gedankt, besonders Caroline Mang, Cizg-
dem Özel und Julia Strobl.
13 Zum Universitätsgebäude s. zuletzt: Stätten des Wissens. Die Universität entlang ihrer Bauten 1365–2015 (Hg. von J.
Rüdiger und D. Schweizer), Wien 2015.
14 J. Rüdiger, Begegnung mit dem steinernen Autor. Die Gelehrten an der Fassade der Wiener Universität, in: Autor-
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Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Titel
- Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Herausgeber
- Ingeborg Schemper-Sparholz
- Martin Engel
- Andrea Mayr
- Julia Rüdiger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- WIEN · KÖLN · WEIMAR
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20147-2
- Abmessungen
- 18.5 x 26.0 cm
- Seiten
- 428
- Schlagwörter
- Scholars‘ monument, portrait sculpture, pantheon, hall of honour, university, Denkmal, Ehrenhalle, Memoria, Gelehrtenmemoria, Pantheon, Epitaph, Gelehrtenporträt, Büste, Historismus, Universität
- Kategorien
- Geschichte Chroniken