Seite - 16 - in Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
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neu geschaffenen Institute und nach Anerken-
nung ihrer Disziplin als exakte Wissenschaft. Die
Denkmalsetzungen im Wiener Arkadenhof spie-
geln die Bestrebungen der Fakultäten wider, ihre
neu gegründeten Lehrkanzeln zu repräsentieren.
Die einerseits aus dem Propädeutikum Philoso-
phie (ehem. Artistenfakultät) und einem Teilbe-
reich der Medizin („Hilfswissenschaften“) abge-
spaltenen naturwissenschaftlichen Fächer hatten
ein besonderes Bedürfnis, ihre Selbständigkeit
zu demonstrieren. Die Philosophische Fakultät
war nun erstmals den Fakultäten der Theologen,
Juristen und Mediziner gleichgestellt.
Durch die Orientierung am preußischen Bil-
dungssystem und der Mobilität vieler Professo-
ren wie z. B. Hermann Bonitz kann in Wien die
Kenntnis der Denkmalinitiativen in Berlin und
deren deutschen Städten vorausgesetzt werden.
Dort findet sich schon früher das heroisierte Bild
des Universitätsprofessors. An der Berliner Uni-
versität wurden seit 1833 Porträtbüsten, Medaillen
und Gemälde regelrecht gesammelt, von Kaiser
Wilhelm I. wurde 1876 sogar die Aufstellung ganz-
figuriger Denkmäler von Alexander und Wilhelm
Humboldt gegenüber den Feldherren unter den
Linden gestattet.19 Das Konzept des Arkadenhofes
in Wien sah individuell gestaltete Denkmäler vor,
vereinigte die Professorenschaft aber auch als Kor-
poration im geschlossenen Raum.
Schon in der frühen Planungsgeschichte des Universitätsneubaues spielte das Gedenken eine
Rolle, doch sollte es zunächst traditionsgemäß
im sakralen Raum angesiedelt werden.
Eitelberger, dem die Darstellung vaterländi-
scher Geschichte im personalisierten Denkmal
ein großes Anliegen war, hatte zunächst eine an-
dere Idee. In der frühen Planungsphase, in der
die Votivkirche nach dem Entwurf Ferstels von
Universitätsbauten umgeben werden sollte, hät-
te sie auch die Aufgabe einer Universitätskirche
erfüllt. Das Innere sollte – nach Vorstellung Ei-
telbergers – zu einer Denkmalkirche umgestal-
tet werden. Die Seitenkapellen zwischen den
Pfeilern in den Seitenschiffen, die Wandflächen
an dem Kapellenkranz in der Apsis verlangten
laut Eitelberger nach Monumenten, „wie sol-
che in Italien und in Frankreich üblich sind, wie
man sie in S. Croce in Florenz, in S. Giovanni
e Paolo und ai Frari in Venedig, in Santa Maria
del Popolo und in St. Peter in Rom und über-
all sieht, wo man den Geist der Heroen pflegt,
nur in Wien nicht. Das schöne Grabmal des Arz-
tes und Gelehrten Johann Peter Frank befindet
sich auf einem Friedhof, der zur Demolierung
bestimmt ist.“20 Solche Pantheon-Ideen tauchen
in Wien schon Ende des 18. Jahrhunderts in Zu-
sammenhang mit der Regotisierung der Augus-
tinerkirche, aber auch als eine mögliche Nutzung
der Karlskirche auf.21 1823 stellte die Juridische
Fakultät vergeblich ein Ansuchen an die nieder-
ingeborg
schemper-sparholz16
19 A. Keune, Gelehrtenbildnisse der Humboldt-Universität zu Berlin. Denkmäler, Büsten, Reliefs, Gedenktafeln, Ge-
mälde, Zeichnungen, Graphiken, Medaillen, Berlin 2000, S. 9–11.
20 R. v. Eitelberger, Ferstel und die Votivkirche, in: Gesammelte Kunsthistorische Schriften, I, Wien 1879, S. 320.
J. P. Frank (1745–1821), der von Josef II. aus Pavia nach Wien berufen worden war, reformierte das Allgemeine Kran-
kenhaus, war Pionier auf dem Gebiet der Sozialmedizin, Begründer der Hygiene als universitäres Fach. Er wurde
auf dem Währinger Ortsfriedhof beigesetzt. Nach dessen Schließung (1873) wurde das klassizistische Grabmal von
Leopold Kiesling (1822) auf den Wiener Zentralfriedhof (Ehrengräber Gr. 32 A Nr. 3) übertragen. A. Smetana,
Grabdenkmäler des Wiener Klassizismus – Ein Beitrag zur Erforschung der Sepulkralkultur zwischen 1788 und
1840, ungedr. Dipl.-arbeit Wien 2008, Kat. 28, S. 176. – Eine verschollene Büste Franks von Johann Martin Fischer
befand sich im Allgemeinen Krankenhaus. C. Wurzbach, Biografisches Lexikon des Kaiserthums Österreich, IV,
Wien 1858, S. 245.
21 Carl Bertuchs Tagebuch vom Wiener Kongress (hrsg. v. H. Freiherr von Egloffstein), Berlin 1916, S. 98: „[…]
Carls Kirche, wo ich das Locale zu einem Denkmal Mozarts besehe. Diese Kirche wäre ganz zu einem Pantheon für
Wien geeignet. In den Schwibbogen der Seitenaltäre wäre dieses gut anzubringen […]“ Danke für den Hinweis an
Gernot Mayer.
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Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Titel
- Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Herausgeber
- Ingeborg Schemper-Sparholz
- Martin Engel
- Andrea Mayr
- Julia Rüdiger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- WIEN · KÖLN · WEIMAR
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20147-2
- Abmessungen
- 18.5 x 26.0 cm
- Seiten
- 428
- Schlagwörter
- Scholars‘ monument, portrait sculpture, pantheon, hall of honour, university, Denkmal, Ehrenhalle, Memoria, Gelehrtenmemoria, Pantheon, Epitaph, Gelehrtenporträt, Büste, Historismus, Universität
- Kategorien
- Geschichte Chroniken