Seite - 26 - in Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
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Neuen Freien Presse als nahezu vollendet an-
gekündigt, detailliert beschrieben und gelobt.
Der Kopf, in eine Marmorwand als Relief eingelas-
sen, frappiert durch außerordentliche Porträttreue,
die echte Denkerstirne bot dem Plastiker ein ganz
besonders günstiges Feld, sie ist in nahezu vollen-
deter Weise ausgearbeitet. Der Ausdruck des Profils
ist edel belebt und gibt den Geist und Edelsinn des
Redners und Denkers getreulich wieder. So hat man
Glasers Kopf von der Galerie des Abgeordnetenhau-
ses in der berühmten Schulrede, so in den großen
Reden des General Procurators gesehen. Glückli-
cher konnte der Künstler den unvergeßlichen Ge-
lehrten, Lehrer und Redner nicht auffassen.49 Zu diesem Zeitpunkt waren auch die Büsten der
Mediziner Hyrtl und Schuh bereits fertig, doch
wurden sie deponiert, um erst 1889, ein Jahr
nach der Feier für Glaser, in einem wohl insze-
nierten Festakt enthüllt zu werden (Abb. 15). Die
ausführlichen Berichte in der Presse, besonders
in der klerikalen Zeitschrift Das Vaterland, stel-
len den Auftritt des geehrten Hyrtl in den Mit-
telpunkt. Für die Festgäste war es ein besonderes
Erlebnis, den greisen Anatomen lebend neben
seinem jüngeren Abbild zu sehen: Als die ehr-
würdige Erscheinung des großen Anatomen sicht-
bar wurde, dessen Kopf heute von einem langen
weißen Vollbarte umrahmt wird und der infolge ei-
nes langjährigen Augenleidens einen großen grünen
Schirm trägt, da ertönte brausender Jubel.50 An-
wesend waren nicht nur Vertreter des Ministeri-
ums für Kultus und Unterricht, das die beiden
Denkmäler finanziert hat, sondern der gesam-
te Senat und viele Professoren, die selbst weni-
ge Jahre später hier ein Denkmal erhalten sollten
– Miklosich, Braun von Fernwald, Dittel, Sto-
erk und der Hyrtl-Schüler Eduard Albert, der die
Laudatio auf die beiden Mediziner hielt. Darin
verwies er auf Ferstel, der meinte, in den Arka-
den sei die Gelegenheit geboten, die Geschichte der
Universität in künstlerischer Form zu illustrieren;
in Statuen, Büsten, Inschriften, vielleicht auch in
Gemälden seien hier die hervorragenden Personen
und Ereignisse dieser Hochschule zu verewigen.51
Albert würdigte auch van Swieten, dessen Büs-
te aus dem Allgemeinen Krankenhaus hierher über-
tragen und zwischen den Büsten von Schuh und
Hyrtl angebracht wurde. Die Männer, denen die
heutige Feier gilt, reihen sich dem großen Van Swie-
ten würdig an. Hyrtl hat es offenbar genossen, die
Errichtung seines eigenen Denkmals im Arkaden-
hof zu erleben, eine Ehre, die er sich durch eine Sti-
pendienstiftung erworben hatte.52 Er dankte in ei-
Abb. 15: Johann Kalmsteiner, Denkmalbüste für den Ana-
tomen Prof. Josef Hyrtl, Marmor, 1887, Universität Wien,
Arkadenhof. ingeborg
schemper-sparholz26
49 Neue Freie Presse, Nr. 8343, 17. November 1887.
50 Das Vaterland, 31. Mai 1889, S. 3.
51 Local-Anzeiger der Presse, 1. Juni 1889, S. 9. Abdruck der Festrede Eduard Alberts.
52 Die Denkmalenthüllungen waren protokollarisch festgelegte Ehrenrituale mit ausgesuchten Festgästen, Blumen-
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Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Titel
- Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Herausgeber
- Ingeborg Schemper-Sparholz
- Martin Engel
- Andrea Mayr
- Julia Rüdiger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- WIEN · KÖLN · WEIMAR
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20147-2
- Abmessungen
- 18.5 x 26.0 cm
- Seiten
- 428
- Schlagwörter
- Scholars‘ monument, portrait sculpture, pantheon, hall of honour, university, Denkmal, Ehrenhalle, Memoria, Gelehrtenmemoria, Pantheon, Epitaph, Gelehrtenporträt, Büste, Historismus, Universität
- Kategorien
- Geschichte Chroniken