Seite - 28 - in Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
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der Denkmalanordnung und der Hinzufügung
von Personen eine Rolle spielten, kann das fol-
gende Beispiel zeigen. Die Naturwissenschaf-
ten, die bis 1976 zur philosophischen Fakultät
gehörten, strebten immer stärker nach öffentli-
cher Anerkennung ihrer Leistungen. Internatio-
nale Kongresse in Wien boten eine gute Gele-
genheit, sich zu präsentieren. So trachtete der
Pflanzenphysiologe Julius Wiesner, seine Mono-
grafie über den Arzt und Naturforscher Jan In-
gen-Housz 1905 beim 2. Internationalen Botani-
kerkongress in Wien vorzustellen (Abb. 16).55 Er
verband dies mit dem Wunsch nach Aufstellung
einer Büste des niederländischen Naturforschers,
der von Maria Theresia nach Wien geholt worden
war, um ihre Kinder gegen die Pocken zu impfen
und der hier einige Jahre lebte und forschte, aber
nie der Universität angehört hatte. Die zu die-
sem Anlass geschaffene Büste von Franz Seifert
wurde mit einer ebenfalls neu konzipierten Büs-
te Nikolaus Jacquins von Leopold Schrödl und
der Büste van Swietens von F. X. Messerschmidt
zu einer Denkmalgruppe der Niederländer ver-
bunden. Die Messerschmidt-Büste wanderte also
von den Medizinern zu den Naturwissenschaft-
lern. Stilistisch hielt sich Karl König, der die neue
Konzeption entwarf, bei den Porträts und den Sockelformen an eine neobarocke Formenspra-
che. Auch bei der Entscheidung für das Materi-
al Bronze wurde auf die ältere Metallbüste Rück-
sicht genommen. Die Zusammengehörigkeit
wurde zusätzlich durch eine triumphbogenarti-
ge Gliederung der Arkadenrückwand betont. Die
lateinischen Inschriften verfasste der Altphilolo-
ge Eugen Bormann. Eine am Bogenscheitel ange-
brachte, bis jetzt in der Forschung nicht beachte-
te Tafel hebt die besondere Stellung van Swietens
hervor: IVNXIT HONORATIO PRIDEM BATA-
VO POPVLARES ET MERITI SOCIOS AVST-
RIA GRATA DVOS: MDCCCCV (Abb. 2).56
Als Vertreter des 18. Jahrhunderts unter den
Juristen wurde Josef von Sonnenfels in den Ar-
kadenhof aufgenommen. Da offenbar kein zeit-
genössisches skulpturales Porträt in der Univer-
sität vorhanden war, schuf Alois Düll 1891 die
Büste des aufgeklärten Universalgelehrten in en-
ger Anlehnung an die klassizistische Büste von
Franz Anton Zauner (Akademie der Bildenden
Künste, Wien). Sein Denkmal wurde 1891 auf
der Juristenseite gemeinsam mit den Büsten für
Franz Anton von Zeiller und Josef Kudler ent-
hüllt, die sich in bürgerlicher Kleidung des Vor-
märz präsentieren.57
ge(l)ehrte köpfe. der kult des genialen schädels in
wien: franz joseph gall und franz klein, josef hyrtl
und der schädel mozarts
Die freiplastische Büste ist mit mehr als 80 Ex-
emplaren die am häufigsten vorkommende
Denkmalform im Arkadenhof, gefolgt von rund
50 reliefierten Porträtmedaillons, die sich meist
auf den Kopf des Dargestellten beschränken. Als Zwitterform ist der aus einer kreisrunden Ni-
sche freiplastisch herausragende Kopf im Typus
der antiken imago clipeata einzuordnen, z.B. am
Doppeldenkmal der Astronomen Johann und
Theodor Oppolzer (V. Tilgner 1890). In einigen
ingeborg
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55 J. Wiesner, Jan Ingen-Housz. Sein Leben und Wirken als Naturforscher und Arzt, Festgabe zum II. internationalen
botanischen Kongreß in Wien 1905, Wien 1905, mit Abbildung der Büste als Frontispiz und näherer Beschreibung
der Denkmalsetzung, S. 224.
56 Das dankbare Österreich stellte zwei Landsleute und ebenso verdienstvolle Männer dem Geehrten, der einst aus den
Niederlanden kam, zur Seite (übers. von E. Ottmayr).
57 W. Lustkandl, Rede auf Sonnenfels und Kudler gehalten am 17. Juli 1891 bei der Enthüllung der in den Arkaden
der Universität Wien aufgestellten Büsten derselben, Wien 1890.
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Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Titel
- Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Herausgeber
- Ingeborg Schemper-Sparholz
- Martin Engel
- Andrea Mayr
- Julia Rüdiger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- WIEN · KÖLN · WEIMAR
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20147-2
- Abmessungen
- 18.5 x 26.0 cm
- Seiten
- 428
- Schlagwörter
- Scholars‘ monument, portrait sculpture, pantheon, hall of honour, university, Denkmal, Ehrenhalle, Memoria, Gelehrtenmemoria, Pantheon, Epitaph, Gelehrtenporträt, Büste, Historismus, Universität
- Kategorien
- Geschichte Chroniken