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fangreiche Schädelsammlung, die teils noch heu-
te im Besitz der Akademie der Wissenschaften
und des Naturhistorischen Museums ist.61
Als Beispiel sei hier noch einmal der Ana-
tom Josef Hyrtl genannt. Hyrtl übernahm die
von van Swieten der Universität Wien verehrte
vergleichend-anatomische Sammlung und baute
sie nach ihrer Zerstörung 1848 mit eigenen Prä-
paraten aus. Mit der Korrosionsanatomie, de-
ren Produkte er 1873 auf der Wiener Weltaus-
stellung präsentierte, erlangte er internationale
Anerkennung. Hyrtl verstand sich als Huma-
nist und Gelehrter im Sinne der Aufklärung – er wandte sich gegen ein rein materialistisches
Verständnis des wissenschaftlichen Fortschritts.
Seine Schädelsammlung war teils medizinisch,
teils anthropologisch, teils von einem roman-
tisch anmutenden Geniekult motiviert.62 In der
Sammlung befanden sich der Schädel einer Mu-
mie, der eines römischen Legionärs aus Carnun-
tum und als kostbarste Reliquie der angebliche
Schädel von Mozart. Sein Bruder hatte ihn von
einem Totengräber am St. Marxer Friedhof be-
kommen. Hyrtl war von seiner Echtheit über-
zeugt und hütete ihn wie einen Schatz bekrönt
mit einem Lorbeerkranz.63 In einer Lithografie
Abb. 18: Franz Klein, Denkmalbüste für den Mediziner
Andreas von Stifft, Blei-Zinn-Legierung, 1826, Arkaden-
hof der Universität Wien (ehem. Alte Universität, Consis-
torialsaal). Abb. 19: Prof. Josef Hyrtl, Lithografie von E. Kaiser, UAW.
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61 URL: http://www.landesmuseum.at/pdf_frei_remote/ANNA_83_0743-0762.pdf, S. 754, abgerufen am 30. August
2016.
62 Zit. Anm. 53. Hyrtl verkehrte freundschaftlich mit dem Mediziner und Literaten Paul Frankl, dem Initiator des
Schiller-Denkmals in Wien, mit dem er 1865 gemeinsam der Enthüllung des Denkmals für ihren Medizinerkollegen
Türck im Allgemeinen Krankenhaus beiwohnte.
63 Dies erinnert an Goethe, der in seinem Arbeitszimmer den Schädel von Schiller der Büste des Dichters von Johann
Heinrich Dannecker gegenüberstellte. J. Endres, Knochenreste. Versuch einer begrifflichen Differenzierung (im
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Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Titel
- Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Herausgeber
- Ingeborg Schemper-Sparholz
- Martin Engel
- Andrea Mayr
- Julia Rüdiger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- WIEN · KÖLN · WEIMAR
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20147-2
- Abmessungen
- 18.5 x 26.0 cm
- Seiten
- 428
- Schlagwörter
- Scholars‘ monument, portrait sculpture, pantheon, hall of honour, university, Denkmal, Ehrenhalle, Memoria, Gelehrtenmemoria, Pantheon, Epitaph, Gelehrtenporträt, Büste, Historismus, Universität
- Kategorien
- Geschichte Chroniken