Seite - 58 - in Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
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auf die Schultern und insbesondere der sorgfäl-
tig geformte Bart lässt deutlich das Vorbild Kai-
ser Leopolds I. erkennen. Weiteren Hinweis auf
seinen hohen Stand geben die roten Absätze sei-
nes Schuhwerks, ein Privileg des höheren Adels.
Beherrschung und Gelassenheit strahlt der kai-
serliche Leibarzt aus: eine Hand ruht auf einem
Geschäftsbuch. Eher beiläufig – ragt daneben ein
Zepter ins Bild. Angesichts der akademischen
Würden Rechpergers hätte man einen Doktor-
hut erwarten können. Explizit formuliert jedoch
nur die Bildlegende den Anlass des Gemäldes. In
antiken Versalbuchstaben sind Name, akademi-
sche Grade und höfische Würden zu lesen. Erst
dann folgt der Verweis auf das Rektorenamt.44
Die genaue Nennung des Wahltages steigert die
Dokumentarkraft des Gemäldes und schenkt der
Institution Präsenz: Es ist der 25. November, der
Namenstag der Heiligen Katharina, der Patro-
natsheiligen der Artisten, ein bedeutender Fest-
tag im Kalender der Wiener Universität. Ein
stilistischer Vergleich mit dem um 1672 entstan-
denen Porträt Kaiser Leopolds im Kunsthisto-
rischen Museum (Abb. 2b) legt den Gedanken
nahe, dass beide Bildnisse aus der Werkstatt des-
selben Malers stammen, des Kaiserlichen Kam-
mermalers Benjamin von Block. Dieser ließ sich
zwar ab 1670 in Nürnberg nieder, doch sein Bru-
der lebte weiterhin in Wien. Im Jahr 1672, dem
Rektorat Rechpergers, erhielt er den Auftrag,
den Kaiser zu porträtieren. Aus einem späteren
Dokument geht hervor, dass er neben den Por-
träts des Kaisers und der Kaiserin noch diejeni-
gen von 560 fürstlichen Personen mit besonde-
rer „Lebensgleiche“ hergestellt habe.45
Mehr über die Person gibt das Porträt des
Melker Abtes Berthold von Dietmayr (1670– 1739) preis (Abb. 4c). Als Vorzeigeschüler von
den Benediktinern an die Universität nach Wien
entsandt, schloss er zügig sein Studium ab. Mit
nur dreißig Jahren wurde er bereits zum Abt des
Klosters Melk gewählt, ein Jahr später promo-
vierte er. Schon während seine ganzen Anstren-
gungen dem Neubau von Kirche und Kloster gal-
ten, wurde er 1706 zum Rektor der Universität
Wien ernannt. Gleichzeitig initiierte er in Melk
eine Gelehrtenakademie und war Cancellarius
sowie Superintendent des Kaisers.46 Wie Rech-
perger war Dietmayr von adligem Stand und wir
begegnen ihm ebenfalls in einem prachtvollen
Innenraum. Zu seiner Rechten zieht eine kost-
bare bestickte Infel den Blick auf sich. Darüber
ist der Bogen einer Pastorale zu erkennen. Die
steinerne Brüstung, auf der der geistliche Kopf-
schmuck ruht, ist dezent mit seinem Abtswappen
reliefiert. Zu seiner Linken deuten Glocke und
Uhr auf Beherrschung von Zeit und Personal
hin. Im Hintergrund darüber und offensichtlich
später dazu gesetzt, befinden sich die goldenen
Dolden des Rektorszepters als Pendant zu den In-
signien seines Kirchenamtes. Jenes besetzte er auf
Lebenszeit, dieses nur für ein Jahr. Der Kampf
um die rechte Balance zwischen beiden Ämtern
wird noch auf der Leinwand ausgetragen.
Dietmayr trägt eine schwarze Ordenskappe
und ist in einen dunklen, bodenlangen Mantel
gehüllt. Golden setzt die Epomis die Rektorswür-
de ins Bild. Graue Schläfen und Falten an seiner
Nasenwurzel geben das Bild eines aufmerkenden
Denkers. Eine leichte Bewegung durchzieht sei-
nen Körper. Der Abt fasst mit der Rechten an das
Kreuz über der Brust, in der Linken hält er mit
zierlicher Geste sein rotes Birett. Die Legende des
Gemäldes scheint nachträglich eingefügt.47 Sie
heidrun
rosenberg58
44 Christianus. Rechperger phil. Et med. doctor iuratus regni Bohemiae physicus sac. -/ caes. Maistat. Leopoldi I con-
sil. Et proto-medicus electus est in rectorem univer -/ sitatis viennensis die 25. Novemb. anno 1672.
45 OeStA/AVA Adel RAA 34.47. Bestätigung und Wappenbesserung. Blocks. Vgl. auch Polleross, Adelsporträts (zit.
Anm. 41), S. 241.
46 NDB 3 (1957), S. 675 f.
47 Rdssmus, -/ perillustris d.d. Bertoldus Dietmayr. -/a.a.l.l. et theol. Doctor abbas ord. s. Bened. -/Melicij. Statuu, inf.
primas el. Rector univ. 30 nov. 1706.
Open Access © 2018 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
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Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Titel
- Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Herausgeber
- Ingeborg Schemper-Sparholz
- Martin Engel
- Andrea Mayr
- Julia Rüdiger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- WIEN · KÖLN · WEIMAR
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20147-2
- Abmessungen
- 18.5 x 26.0 cm
- Seiten
- 428
- Schlagwörter
- Scholars‘ monument, portrait sculpture, pantheon, hall of honour, university, Denkmal, Ehrenhalle, Memoria, Gelehrtenmemoria, Pantheon, Epitaph, Gelehrtenporträt, Büste, Historismus, Universität
- Kategorien
- Geschichte Chroniken