Seite - 63 - in Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
Bild der Seite - 63 -
Text der Seite - 63 -
kirche mit einem Epitaph bedacht zu werden.
Der Sohn erfüllte den Auftrag, doch auch in der
dort angebrachten Inschrift sucht man vergebens nach einer Erwähnung seiner Universitätskarrie-
re oder gar des Rektorates.
eine „ruhmeshalle“ entsteht
Wer wurde in den „Heldenreigen“ in der stu-
ba consistorialis aufgenommen? Wie verhält sich
die kleine Gruppe der porträtierten Rektoren
zu den tatsächlichen Besetzungen? In der Be-
stellung des Rektorenamtes sahen die Statuten
einen turnusmäßigen Wechsel der Fakultäten
vor. In den Rektorenlisten über die Jahre 1689
bis 1745/46 verteilen sich die 57 Rektorate ne-
ben den genannten 17 artistischen Amtsperio-
den auf 15 Mediziner, 14 Juristen und 13 Theo-
logen. Auch wenn Verluste unter den barocken
Rektorenporträts nicht auszuschließen sind, lässt
sich damit die Aussage treffen, dass der tatsäch-
liche Verteilungsschlüssel der Rektorate nicht
in den barocken Rektorenbildnissen reflektiert
wird. Eindeutig rangieren dort die Juristen (8)
vor Ärzten (4) und Theologen (4).55 Wenn die
Porträts nur auserwählten Rektoren gelten, die
jenseits ihres Amtes und des Handlungsraumes
der Universität besondere Ehren erwerben konn-
ten, stellt sich folgende weitere Frage: Wann und
von wem werden Entschlüsse für die Herstellung
und Hängung eines Porträts gefasst? Ändern sich
die Ideale dessen, was als vorbildlicher Rektor
gilt? Die Einzelanalysen haben bereits einige we-
nige Anhaltspunkte eingebracht. Um die Entste-
hungsdynamik der „barocken Rektorengalerie“
nachzuzeichnen, möchte ich nun die Auftrags-
anlässe diskutieren und schließlich die verschie-
denen Perspektiven zusammenführen, die frei-
lich nur auf einer ungefähren Chronologie der
Bilder basieren. Solange keine weiteren Quellen
aufgefunden werden, sind exakte Datierungen
der Porträts nicht möglich. Im Falle des Rektors Karl Wolfgang Lebzel-
tern (Abb. 6a) wissen wir genau, dass das Port-
rät nicht im Anschluss an sein Rektorat im Jahr
1712 in Auftrag gegeben wurde, sondern als Sta-
tusbestätigung erst nach seiner Ernennung zum
Reichsritter, die in der Inschrift berücksichtigt
wird.56 Andere Inschriften vermerken das Ster-
bedatum wie im Falle Grüners (Abb. 3a) und
Haydens (Abb. 3b) oder verweisen explizit auf
die Memorialfunktion des Gemäldes, wie im
Falle der beiden Porträts, die die prominentes-
ten Rektoren, Schlittern und Schickh, würdigen
(Abb. 5b und Abb. 7a). Die Witwe des Rektors
von Schlittern ist vermutlich nicht nur die Stif-
terin eines Porträts: Vorher vermachte sie bereits
dessen aus eigenen Mitteln angefertigte „Epo-
miden Rectoralem zu (s)einer Gedächtnis der
Universität“. Die Universität nimmt dankend
an und versichert, sich auch noch gegen ihre
Kinder und Puppilarien erkenntlich zu zeigen.57
1720 erfolgte dann die Aufstellung seines Gemäl-
des und wir lesen unterhalb des Wappens, wer
den Auftrag erteilt hat: „Pietas perillustris coni-
ugis statuit.“ Die Stifterin setzt nicht nur ihrem
Gemahl, sondern sich selbst ein Denkmal. Die
goldene Epomis aber, die Schlittern auf seinem
Porträt trägt, finden wir auf den Rektorenport-
räts von Lebzeltern, Schickh, Nettinghofen und
Ruckh wieder. Über die Bilder teilt sich so mit,
dass die Gemeinschaft der Universitätsangehöri-
gen ein überschaubarer und über Jahre gut ver-
netzter Kreis war. Das familiäre Prinzip traditi-
onaler Gesellschaften hatte auch an der Wiener
Universität Einzug gehalten. Weitere prosopo-
Bilder der Magnifizenz 63
55 UAW CA 1.0.121: Doch auch dieses Wahlverfahren wurde bisweilen vom Kaiser beeinflusst, so erklärte Kaiser
Karl VI. am 2. 9. 1720 die Wahl für ungültig und ernannte den Juristen Johann Conrad Kramer zum Rektor.
56 Natter, Icones Rectorum (zit. Anm. 3), S. 139.
57 UAW S 102, Schachtel 65, 3. Juni 1718
zurück zum
Buch Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa"
Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Titel
- Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Herausgeber
- Ingeborg Schemper-Sparholz
- Martin Engel
- Andrea Mayr
- Julia Rüdiger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- WIEN · KÖLN · WEIMAR
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20147-2
- Abmessungen
- 18.5 x 26.0 cm
- Seiten
- 428
- Schlagwörter
- Scholars‘ monument, portrait sculpture, pantheon, hall of honour, university, Denkmal, Ehrenhalle, Memoria, Gelehrtenmemoria, Pantheon, Epitaph, Gelehrtenporträt, Büste, Historismus, Universität
- Kategorien
- Geschichte Chroniken