Seite - 93 - in Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
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die Standbildskizze aus, die Reliefskizze bringe
die Bedeutung des Monuments nicht so zur Gel-
tung wie die Standbildskizze, er wünsche sie aber
nur noch einfacher gestaltet. […][Die Darstellung
der Reliefskizze führe] das Bureau des Ministers
[…] in den Bereich des gewöhnlichen Lebens, über
welchen er das Denkmal erhoben wünsche. Auch
Exner schloss sich Trenkwald an und wies dar-
auf hin, dass sich der Künstler selbst für die Reli-
efskizze entscheide und man daher vor allem den
Intentionen desselben folgen solle. Gerade das Re-
lief bringe den eigentlichen Gedanken des Denk-
males, die Vereinigung der drei Männer zur Schaf-
fung des großen Werkes, zur Geltung; zudem sei es,
was künstlerische Schönheit betrifft, dem anderen
Entwurfe weit überlegen. Mit ihm einer Meinung
waren ferner Benndorf, der das Relief in größe-
rem Maßstab ausgeführt wünschte, damit der mo-
numentale Charakter noch mehr hervortrete, und
Hartel, da sich für die inneren Räume der Univer-
sität […] keine Darstellung mehr [eigne] als die,
welche in dem Relief ihren Ausdruck finde. Kund-
mann, der das Relief präferierte, wies im Verlauf
der Besprechung darauf hin, dass es so möglich
sein werde den Köpfen der Persönlichkeiten mehr
Leben einzuhauchen; die Scene werde so wahrhaft
dramatisch werden.
Als Miklosich nach langer Diskussion ab-
stimmen ließ, herrschte nur über den Auf-
stellungsort Einigkeit: der genannte Platz im
Arkadenhof. Was die Form des Denkmals an-
ging, stimmten lediglich der Vertreter des Minis-
teriums, Graf Latour, und Arneth für das Stand-
bild, alle anderen für das Relief. Latour hielt
jedoch umgehend fest, dass eine letztgültige
Entscheidung beim großen Komitee liege, dem
Künstler solle aber hinsichtlich der Details keine
weitere Directive gegeben werden.14 Latour spielte
offenbar auf Zeit. Wenige Tage später, so ist einem Brief Kund-
manns an Benndorf zu entnehmen, wurde der
Künstler ins Ministerium gebeten. Der Unter-
richtsminister selbst hatte den Wunsch ausge-
sprochen, die beiden Skizzen für das Leo Thun-
Denkmal in Augenschein zu nehmen. Ich werde
also morgen persönlich vorsprechen und anfragen,
wohin die beiden Entwürfe gebracht werden sollen;
da dieselben nur für 1–2 Tage verlangt werden, so
dürfte ja bald etwas über die Anschauung S[einer]
E[xcellenz] bekannt werden.15
Interessanterweise ist von da an – entgegen
dem Abstimmungsergebnis des ‚artistischen Co-
mités‘ – nur mehr ein einziges Mal vom Reli-
efentwurf die Rede, und zwar in einem Brief
Kundmanns an Miklosich vom 13. Juli 1889.
Diesem ist zu entnehmen, dass Kundmann tags
zuvor einen vergleichenden Beleuchtungsversuch
im Octogon der Arkaden und im Atrium in Ge-
genwart der Professoren Trenkwald und Niemann
ausgeführt hatte und dabei feststellen muss-
te, daß sich meine Voraussicht vollkommen erfüllt
hat. Die Beleuchtung im Octogon hat sich für das
Relief-Projekt ungünstig erwiesen, sodaß ich, nach-
dem dieser Platz einstimmig gewählt wurde, das-
selbe überhaupt zurückziehen müßte, und nur das
Andere, mit der Statue und den beiden Büsten, für
geeignet erklären könnte.16
Zu seiner eigenen Orientierung wünschte
er von Miklosich Einsicht in das Protokoll der
Sitzung vom 30. Mai 1889, die ihm Miklosich
sogleich ermöglichte. Kundmann plädierte da-
raufhin mit Rücksicht auf die herrschenden, di-
vergirenden Ansichten, die Sitzung des großen
Comite’s bis zum Herbste zu vertagen.17 Er gewann
dadurch Zeit, in den Ferien und den Monaten
danach an unterschiedlichen Modellentwürfen
für die Standbildgruppe zu arbeiten.
Das Thun-ExnEr-BoniTz-DEnkmal im arkaDEnhof DEr univErsiTäT WiEn 93
15 Brief Kundmanns aus Wien an Benndorf, 5. Juni 1889 (ÖNB, HAD: Autogr. 650/2-7).
16 Brief Kundmanns aus Wien an Miklosich, 13. Juli 1889 (ÖNB, HAD: Autogr. 135/132-1).
17 Brief Kundmanns aus Wien an Miklosich, 18. Juli 1889 (ÖNB, HAD: Autogr. 135/132-2).
18 Brief Kundmanns aus Wien an Miklosich, 26. November 1889 (ÖNB, HAD: Autogr. 135/132-3).
19 Schreiben Kundmanns aus Wien an Benndorf, laut Stempel auf dem „Karten-Brief zur pneumatischen Expressbe-
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Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Titel
- Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Herausgeber
- Ingeborg Schemper-Sparholz
- Martin Engel
- Andrea Mayr
- Julia Rüdiger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- WIEN · KÖLN · WEIMAR
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20147-2
- Abmessungen
- 18.5 x 26.0 cm
- Seiten
- 428
- Schlagwörter
- Scholars‘ monument, portrait sculpture, pantheon, hall of honour, university, Denkmal, Ehrenhalle, Memoria, Gelehrtenmemoria, Pantheon, Epitaph, Gelehrtenporträt, Büste, Historismus, Universität
- Kategorien
- Geschichte Chroniken